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Todeskette

Todeskette

Titel: Todeskette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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sehen?«
    »Ja. Es sah irgendwie böse aus, mit spitzer Nase und spitzem Kinn.«
    »Haben Sie sonst noch jemanden gesehen?«
    »Der zweite Mann kam etwas später.«
    »Wie sah er aus?«
    »Elegant. Groß, schlank. Langer schwarzer Mantel und breitkrempiger Hut.
    Sein Gesicht konnte ich nicht sehen.«
    »Und wann tauchte dieser zweite Mann auf?«
    »So gegen acht, würde ich sagen.«
    »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie die Männer richtig beschrieben haben?«
    »Na ja, wenn Sie mich so fragen, dann hätte der zweite Mann auch von mittlerer Größe und untersetzt gewesen sein können. So genau habe ich ihn nun auch wieder nicht gesehen.«
    »Mrs. Sealle«, sagte Tweed mit ernster Stimme und stand auf. »Die Straßenlaterne da drüben funktioniert nicht mehr, und ich gehe mal davon aus, dass sie den ganzen Abend über nicht gebrannt hat. Wie konnten Sie denn die Männer überhaupt sehen, wo es drunten auf der Straße stockfinster war?«
    »Wollen Sie mich etwa eine Lügnerin nennen?«
    Tweed sagte nichts und ging zur Tür. Paula folgte ihm. Erst als sie draußen waren, kreischte Mrs. Sealle ihnen hinterher: »Ich will Sie hier nie wieder sehen!«
    Auf der Rückfahrt nach Hengistbury sprachen Tweed und Paula eine ganze Weile kein Wort. Tweed, der sich ans Steuer gesetzt hatte, konzentrierte sich aufs Fahren, und Paula brütete schweigend vor sich hin.
    »Als Zeugin vor Gericht ist Mrs. Sealle nicht zu gebrauchen«, sagte sie schließlich. »Sie spioniert zwar ständig irgendwelchen Leuten hinterher, aber auf ihre Angaben kann man sich nicht verlassen.«
    »Das Einzige, was man ihr wohl glauben kann, sind die Beobachtungen, dass der erste Besucher eine Schiebermütze und der andere einen breitkrempigen Hut trug. Das hat sie sich bestimmt nicht aus den Fingern gesogen. Und mit den Zeiten könnte sie auch recht gehabt haben.«
    »Aber weiter bringt uns das auch nicht.«
    »Vielleicht doch…«
    Inzwischen hatten sie den Wald hinter sich gebracht und näherten sich dem Parktor von Hengistbury Manor, das sich ein paar Sekunden nach ihrer Ankunft öffnete. Tweed stellte den Audi hinter Marshal Mains Rolls-Royce ab, der direkt vor der Terrasse parkte, und fragte sich, ob Main zu dieser späten Stunde noch irgendwohin fahren wollte.
    Lavinia, die ihnen vermutlich das Tor geöffnet hatte, begrüßte sie an der Haustür. Sie trug einen kurzen, blauen Rock und einen weißen Rollkragenpullover, der ihre Figur gut zur Geltung brachte.
    »Vielen Dank«, sagte Tweed und erwiderte ihr Lächeln. »Wo sind denn die anderen alle?«
    »Wir haben heute schon um sechs gegessen, weil Mrs. Grandy ihren freien Abend hat«, erwiderte Lavinia. »Danach sind alle hinauf in ihre Wohnungen gegangen, so wie ich auch, und sind meines Wissens den ganzen restlichen Abend dort geblieben. Ich bin jetzt bloß nach unten gekommen, weil ich mir aus der Bibliothek ein paar Papiere holen musste, und habe Ihren Wagen kommen hören.« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Mittlerweile erkenne ich Ihren Audi schon am Geräusch …«
    Nachdem Lavinia Tweed und Paula die Mäntel abgenommen und an die Garderobe gehängt hatte, verabschiedete sie sich und ging nach oben.
    Tweed und Paula gingen weiter in die Bibliothek, wo Marshal Main, der jetzt einen eleganten Anzug trug, sich von einem Stuhl erhob.
    »Na, waren Sie noch aus?«, fragte er leutselig. »Ich bin schon seit zwei Stunden aus Seacove zurück.«
    »Nein, das stimmt nicht!«, ließ sich auf einmal Crystal vernehmen, die auf einem zweiten Stuhl saß, dessen hohe Lehne sie vor Tweeds und Paulas Blicken verbarg. Sie sprang auf und kam auf die beiden zu, wobei sie ein trotziges Gesicht machte. »Er ist erst vor zehn Minuten zurückgekommen, wenn nicht vor fünf!«
    »Willst du wohl dein Lügenmaul halten, du Rotzgöre?«, brauste Main auf und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Als er noch einmal ausholte, packte Tweed ihn am Arm.
    »Frauen schlägt man nicht, Mr. Main«, sagte er mit fester Stimme. »Ganz gleich, ob sie zur eigenen Familie gehören oder nicht.«
    Main, dessen Gesicht sich zu einer Fratze der Wut verzog, rammte Tweed seinen Ellenbogen in die Rippen. Oder besser gesagt: Er versuchte es, aber Tweed machte einen Schritt zur Seite, ballte die rechte Hand zur Faust und verpasste Main damit einen Kinnhaken. Hätte er mit voller Kraft zugeschlagen, hätte er dem Bankier das Kinn zerschmettert, so wurde Main lediglich nach hinten geschleudert, wo er mit dem Rücken gegen die Wandvertäfelung knallte

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