Todeskette
hatten sich Newmans Augen so gut an die Dunkelheit gewöhnt, dass er jede Einzelheit der Hütte erkennen konnte. Sie war, wie Paula schon gesagt hatte, sehr alt und hatte aus groben Feldsteinen gebaute Wände und ein spitz zulaufendes Dach, das an mehreren Stellen große Löcher aufwies. An einer Seite ragte ein dicker, ebenfalls aus Feldsteinen gemauerter Kamin empor, und vor der Eingangstür gab es eine baufällig wirkende hölzerne Veranda.
Newman, der die Stille verdächtig fand, zog seine Smith & Wesson und arbeitete sich Schritt für Schritt auf die Hütte zu. Der Boden des Waldweges bestand aus abgestorbenen Fichtennadeln und dämpfte das Geräusch seiner Schritte.
Als er noch einmal zu dem Kamin hinaufsah, bemerkte er vor dem nur schwach vom Mond beleuchteten Nachthimmel plötzlich ein Gewirr seltsamer Drähte, das aussah, als gehörten sie zu einer hochmodernen Antennenanlage.
Nun war sich Newman sicher, dass mit der Hütte etwas nicht stimmte.
Im Inneren der Hütte ging eine rote Warnleuchte an, als Newman auf eine geschickt unter den abgestorbenen Fichtennadeln versteckte trittempfindliche Matte trat. Die beiden Männer am Küchentisch blickten einander an.
Einer von ihnen war Calouste Doubenkian, der ein dunkles Samt Jackett trug und in einem alten Buch las, das
Waffen des Mittelalters
hieß.
Jacques, der neben ihm saß, zog aus einer an seinem rechten Unterschenkel befestigten Scheide ein langes, gefährlich aussehendes Metzgermesser und machte damit eine Bewegung, als wolle er jemandem die Kehle durchschneiden. Dann deutete er nach draußen.
Doubenkian schüttelte den Kopf, blickte hinüber zum Kamin und bedeutete Jacques mit einer Geste, dass er ein Foto machen solle. Jacques nickte, öffnete leise eine Metalltür und kletterte auf einer eisernen Leiter im Inneren des Kamins nach oben.
Währenddessen zog Doubenkian eine Falltür neben dem Küchentisch auf und stieg über eine schmale Steintreppe hinab in den Keller der Hütte. Der Keller war riesengroß und mit Sofas, Sesseln und Tischen bequem und luxuriös eingerichtet. Eine Fußbodenheizung verbreitete wohlige Wärme, und geschickt in der Deckenverkleidung eingebaute Lampen sorgten für angenehmes indirektes Licht. Doubenkian ließ sich auf einem der Sofas nieder und las weiter sein Buch.
In der Zwischenzeit machte Jacques über den oberen Rand des Kamins hinweg mit einer speziellen, extrem lichtempfindlichen Kamera ein Foto von einem Mann, der langsam vom Wald her auf das Haus zuschlich. Danach kletterte er den Kamin wieder hinunter, verschloss sorgfältig die verborgene Tür, begab sich zu Doubenkian in den Keller und zog die Falltür hinter sich zu. Die Falltür war so konstruiert, dass man sie von den Bodenbrettern der Hütte nicht unterscheiden konnte, und wenn sie von innen verschlossen war, ließ sie sich von außen unmöglich öffnen. Für den Fall, dass der Mann oben in die Hütte eindrang, würde er weder die geheime Tür in der Wand des Kamins noch den Zugang zum Keller bemerken. Jacques’ große Hände schwitzten, als er sich neben Doubenkian auf das Sofa fallen ließ. Ohne ein Wort zu sagen, zog Doubenkian ein blaues Taschentuch aus der Brusttasche seines Samt Jacketts und reichte es Jacques, der sich damit die Hände abtrocknete.
Erst dann zog Jacques die kleine Digitalkamera aus der Tasche und zeigte Doubenkian auf dem Display an ihrer Rückseite das Foto, das er soeben geschossen hatte. Die Kamera war eine sündteure Spezialanfertigung mit spezieller Restlichtverstärkung, die auch bei fast völliger Dunkelheit ohne Blitz einigermaßen erkennbare Fotos produzieren konnte. Doubenkian verzog keine Miene, als er das Bild über seine Brille hinweg ansah. Von dem Tisch vor dem Sofa nahm er einen Spiralblock, schrieb etwas auf die erste Seite und reichte den Block weiter an Jacques.
»Robert Newman« stand auf dem Block. Ein wichtiges Mitglied von Tweeds Team.
Jacques zog sein Messer und wollte aufspringen, aber Doubenkian streckte einen Arm aus und hielt ihn mit bemerkenswerter Kraft zurück. Dann legte er einen Finger auf die Lippen zum Zeichen, dass Jacques still sein sollte, und las in aller Seelenruhe sein Buch weiter.
Oben in der Hütte untersuchte Newman, der mittels eines Dietrichs die Eingangstür geöffnet hatte, einen Raum nach dem anderen. Alle schienen sie seit Langem unbewohnt und rochen nach Schimmel und Moder. Spinnweben hingen in den Ecken, und die Luft war klamm und abgestanden und fühlte sich viel kälter
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