Todeskette
ebenfalls in diesen Landrover, während Newman und Marler den zweiten und Butler und Nield den dritten nahmen. In einem kleinen Konvoi fuhren sie vom Bahnhof in die Stadt, die Paula auf Anhieb gefiel. Überall sah sie hell erleuchtete Restaurants, die bis auf den letzten Tisch besetzt waren, und die Neonreklamen von Nachtclubs, vor deren mit Bildern von leicht bekleideten Mädchen geschmückten Eingängen gut gekleidete Paare auf Einlass warteten.
»Das ist der berühmte Boulevard de Waterloo«, erklärte Cardon. »Sehen Sie das große Hotel da vorn? Dort habe ich für Sie Zimmer gebucht.«
»In diesem Kasten schlafe ich nicht«, protestierte Tweed.
»Außerdem habe ich einen Tisch auf Ihren Namen im Grand’ Place reservieren lassen, dem besten Restaurant der Stadt«, fuhr Cardon fort, ohne auf Tweeds Einwurf zu achten.
»Aber daran sind wir doch vorhin vorbeigefahren«, wunderte sich Tweed.
»Gut beobachtet«, gab Cardon mit einem Lächeln zurück. »Man wird Sie heute Abend weder im Hotel noch in dem Restaurant finden. Die Buchungen waren eine Finte von mir, um den korrupten Commissaire Benlier hinters Licht zu führen. Wir fahren stattdessen direkt zu Calouste Doubenkians Hauptquartier.«
»Das war wirklich clever von Ihnen«, sagte Paula bewundernd.
Philip Cardon war der beste Agent, den Tweed auf dem europäischen Festland hatte. Er war Ende dreißig, wirkte aber jünger und hatte ein markantes, glatt rasiertes Gesicht und kurz geschnittenes braunes Haar. Paula hatte ihn immer schon gemocht.
»Danke für das Kompliment«, sagte er und drückte kurz ihren Unterarm.
»Und machen Sie sich bloß keine Sorgen.«
»Natürlich mache ich mir keine Sorgen«, erwiderte Paula.
Cardon nahm einen kleinen Beutel aus einem Fach in der Tür des Wagens und gab ihn Paula. Er war voller spitzer Stacheln aus Metall, die aus einer halbkugelförmigen Basis aus Hartgummi herausragten.
»Was ist das?«, fragte Paula. Die Dinger erinnerten sie an überdimensionale Reißnägel.
»Diese kleinen Biester hat ein Freund in Rotterdam für mich entwickelt, der eigentlich Maschinenbauingenieur ist. Wenn uns ein Polizeiwagen verfolgt, werfen Sie einfach eine Handvoll von ihnen aus dem Fenster – aber nur, wenn die anderen Landrover nicht hinter uns sind. Ganz gleich, wie sie auf dem Boden aufkommen, die abgerundete Basis richtet sie immer sofort so auf, dass die Dornen nach oben stehen und sich in die Reifen bohren. Ich habe Marler und Butler übrigens auch so einen Beutel gegeben.«
Cardon fuhr durch eine Unterführung und bog auf eine breite, mehrspurige Straße ein, wo ihnen viele Autos entgegenkamen.
»Das ist eine der Hauptausfallstraßen«, erklärte er.
»Ich bin froh, dass wir Brüssel verlassen«, bemerkte Tweed: »Irgendwie mochte ich die Stadt noch nie.«
»Da muss ich Ihnen recht geben. Ich fühle mich in den flandrischen Städten auch viel wohler. Außerdem wird dort Flämisch gesprochen und nicht Französisch. Vielleicht färbt das auf den Charakter der Menschen dort ab…«
Eine Weile sagte niemand mehr etwas. Bald hatten sie die letzten Außenbezirke von Brüssel hinter sich gelassen und fuhren nun durch offenes, mondbeschienenes Land. Auch der Verkehr war längst nicht mehr so dicht wie in der Stadt.
Auf einmal ertönte von hinten das laute Geheul einer Polizeisirene. Paula drehte sich um und sah, dass mehrere Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht den kleinen Konvoi verfolgten.
»Sieht so aus, als hätte Commissaire Benlier meine kleine List durchschaut.
Halten Sie also besser den Beutel mit den Metalldornen bereit.«
»Die Streifenwagen haben Newman und Butler überholt«, rief Paula, die immer noch nach hinten sah. »Sieht so aus, als hätten sie es nur auf uns abgesehen.«
»Lassen Sie Ihr Fenster herunter!«, rief Cardon.
Paula sah, dass der erste Streifenwagen schon neben ihnen fuhr. Der Fahrer, ein uniformierter Polizist, hatte etwas in der Hand und warf es zu ihr hinüber.
Paula konnte das Fenster gerade noch hochfahren, da knallte das Ding auch schon gegen die Scheibe und strömte dabei einen weißlichen Nebel aus.
»Tränengas!«, sagte Cardon. »Wie nett!«
»Hier, Tweed, nehmen Sie das«, sagte Cardon und warf ihm eine große Spraydose zu, aus deren oberem Ende ein langer Schlauch hing. »Fahren Sie Ihr Fenster ein Stück nach unten und hängen Sie den Schlauch raus. Wenn ich ›Jetzt!‹ sage, drücken Sie auf den Knopf der Dose. Aus dem Schlauch kommt dann ein spezielles Öl, das
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