Todeskind: Thriller (German Edition)
müsse. Meine Cousine antwortete, er müsse sich auch dann noch ausweisen, wenn er siebzig sei, so sei eben die Geschäftspolitik. Er klappte seine Brieftasche auf, als wollte er den Ausweis rausholen, behauptete dann aber, er habe ihn leider nicht dabei. Anschließend versuchte er meine Cousine zu bequatschen: Sein kleiner Bruder bräuchte den Kleber unbedingt für die Physikklasse, weil sie am nächsten Tag Raketenmodelle kleben würden, und ob er den Ausweis nicht morgen vorbeibringen könnte. Aber meine Cousine blieb hart. Wegen so einer Sache kann sie richtig Ärger kriegen, zumal er ja auch ein Testkäufer hätte sein können, der die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren sollte.«
»Und was hat er gemacht?«
»Ist stocksauer gegangen. Ich wünschte, wir hätte seinen Namen erfahren.«
Joseph hätte sie küssen mögen. Er hatte schon oft Hilfe von neugierigen Nachbarn bekommen, aber selten wartete jemand mit so genauen Angaben auf. »Das haben Sie großartig gemacht. Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich mit einem Polizeizeichner zusammenzutun? Sie haben sein Gesicht gesehen.«
»Kein Problem, aber ich kann noch einen draufsetzen. Carol hat Überwachungskameras im Laden. Mit etwas Glück hat sie die Bänder noch. Ich hole Ihnen schnell ihre Telefonnummer.«
Sie wandte sich zum Gehen, als eine Explosion die Fenster in Odums Haus klirren ließ.
»Runter! Alle runter auf den Boden! Sofort!« Joseph vergewisserte sich, dass niemand verletzt war, dann rannte er zum Haus zurück. Ford konnte dort drin sein. Das Baby war es ganz sicher.
Philadelphia, Pennsylvania
Dienstag, 3. Dezember, 18.50 Uhr
»Hast du dich entschieden, wohin wir zuerst wollen? Erst zu den MacGregors oder zu State Trooper Gargano, um ihn nach den gestohlenen Tasern zu fragen? Wir sind nämlich gleich da.«
Als Alec ihn angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, was er über die AFID-Tags herausgefunden hatte, hatte er auch angeboten, für die Fahrt nach Philadelphia sein Auto zu benutzen – vorausgesetzt, er führe selbst. »Du bist durch den Wind«, hatte Alec gesagt, und Clay musste zugeben, dass er recht hatte.
Ich bin nicht mehr objektiv. Den Jungen dabeizuhaben, um die Dinge im richtigen Licht betrachten zu können, war nur sinnvoll.
Clay rieb sich mit den Handflächen über die Wangen, während er versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Zu Gargano, dem Polizisten, den man bestohlen hatte, oder zu den MacGregors, deren Tochter Ford in eine Falle gelockt hatte. »Ich muss mich rasieren, bevor ich irgendwo hingehe.«
»Eine Dusche würde auch nicht schaden«, bemerkte Alec. »Und andere Klamotten. Wenn wir in eine Polizeikontrolle geraten, stellt man dir bestimmt dumme Fragen. Du hast Blut auf der Hose.«
Aber da seine Hose schwarz war, fiel das getrocknete Blut nicht so auf. »Darum mache ich mir weniger Sorgen. Mich stört eher, dass ich immer noch J.D.s T-Shirt anhabe.« Mit den groß aufgedruckten Buchstaben BPD. »Wenn man mit einem Cop sprechen will, ist es immer besser, nicht selbst wie einer daherzukommen.«
»Dann zieh das T-Shirt auf links. Wenn du die Jacke anlässt, sieht keiner die Nähte.«
»Keine schlechte Idee«, murmelte Clay.
»Wirkt immer Wunder. Vor allem kurz vorm Waschtag.«
Clay warf dem Jungen einen angewiderten Blick zu. »Du bist so faul, dass du lieber dein T-Shirt auf links trägst, statt die Wäsche zu machen?«
»Ach ja. Als ob du in meinem Alter Martha Stewart gewesen wärst! Tolle Vorstellung – Clay Maynard, Amerikas beste Hausfrau.«
»In deinem Alter war ich im Bootcamp«, entgegnete Clay missgelaunt. »Meine Uniform war makellos, die Bügelfalten schärfer als ein Ginsu-Messer.«
»Was ist denn ein Ginsu-Messer?«
Clay verdrehte die Augen. »Schon gut.«
Alec grinste. »Ich weiß, was ein Ginsu-Messer ist, ich will dich doch bloß aufziehen. Der Auf-links-Trick ist dann absolut unentbehrlich, wenn du keine sauberen Klamotten mehr hast und das einzige Hemd, das nicht stinkt wie ein Pumakäfig, einen Ketchupfleck vorne drauf hat. Alles nur für den Notfall.«
»Und da fragst du dich, warum du keine Freundin hast.«
Alec zog die Brauen zusammen. »Ich könnte viele, viele Steine auf dein Glashaus werfen, Mr. Casanova. Oh, Moment, du bist ja auch ohne Freundin.«
»Langsam wünsche ich mir, ich hätte Alyssa mitgenommen.«
»So schlimm bin ich?«, fragte Alec, nun wieder vergnügt. »Okay, okay, ich entschuldige mich für den letzten Satz.«
Clay sah wieder aus dem Fenster.
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