Todeskind: Thriller (German Edition)
»Nein, nicht nötig. Du hast ja recht.«
Alec wurde wieder ernst. »Wie geht’s ihr? Detective Mazzetti, meine ich?«
Clay hatte die Eltern um ein paar Minuten allein mit Stevie gebeten, nachdem er mit ihnen im Wartezimmer der Intensivstation gesprochen hatte. Ihm war klar, dass sie seiner Behauptung, dass er und Stevie nur befreundet waren, keinen Glauben schenkten. Sie schienen sich sogar darüber zu freuen, dass da mehr war zwischen Stevie und ihm, und Clay hatte schon ein wenig Hoffnung geschöpft … bis er bei ihr gewesen war.
»Sie ist noch nicht wieder wach.« Und sie hatte so zerbrechlich gewirkt. Er hatte Stevie noch nie so gesehen. Er hatte sie wütend erlebt und entsetzt. Er hatte sie auch schon weinen sehen, als sie vor neun Monaten mit dem Verrat eines ihrer ältesten Freunde konfrontiert worden war. Damals war sie am Boden zerstört gewesen und hatte sich so dringend gewünscht, zu ihm zu kommen, sich von ihm trösten zu lassen. Nur gönnte Stevie sich selten, was sie sich wünschte.
Ich hätte sie trotzdem einfach in den Arm nehmen sollen. Er hatte sich nicht aufdrängen, sondern lieber warten wollen, dass sie zu ihm kam, doch je mehr Zeit verstrich, umso klarer wurde es, dass das nicht geschehen würde.
Stevie war in erster Hinsicht Cordelias Mutter. Danach eine Polizistin. Dass sie eine Frau war, kam ganz zuletzt auf ihrer Prioritätenliste, und das bedeutete, dass auch Clay dort am Ende stand. Er verstand es, kannte es selbst. Konnte es nicht ausstehen. Und es änderte auch nichts daran, wie er sie sah: stark, selbstbewusst, klug. Eine wunderschöne Frau, die ich begehre, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe.
Doch heute hatte sie nur zerbrechlich gewirkt.
»Aber sie kommt doch wieder in Ordnung, oder?«, fragte Alec.
»Die Ärzte haben ihren Eltern gesagt, ihre Chancen stünden recht gut.« Aber Clay glaubte es nicht. Sie hatte so viel Blut verloren.
Fast hatte er sich nicht getraut, sie zu berühren. Aber noch mehr Angst hatte ihm gemacht, dass er vielleicht keine zweite Chance mehr bekommen würde. Also hatte er ihr eine Hand an die Wange gelegt. Ihre Stirn geküsst. Ihre Lippen.
Danach hatte er ein Lächeln aufgesetzt, war wieder in den Wartebereich zurückgekehrt und hatte den Eltern etwas vorgemacht. Ja, er glaube fest daran, dass sie es schaffe.
»Es tut mir leid«, flüsterte Alec.
Vielleicht hatte Alec ihn nicht richtig verstanden. »Die Ärzte sind optimistisch,«, wiederholte er daher.
»Aber du glaubst nicht daran. Und du empfindest ziemlich viel für sie.« Alec warf ihm einen traurigen Blick zu. »Ich hab’s vielleicht nicht drauf, mit Mädels zu reden, aber ich kann mich ganz gut in andere Menschen hineinversetzen. Und jetzt solltest du dein T-Shirt auf links ziehen. Wir sind fast bei dem Polizisten. Du warst in Gedanken, also habe ich entschieden. Wenn du noch anhalten willst, um einen Rasierer zu kaufen, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt dazu.«
Da er seiner Stimme nicht traute, streifte Clay stumm die Lederjacke ab, zog das Hemd aus, verkehrt herum wieder an und nutzte die Chance, sich dabei heimlich die Augenwinkel zu wischen.
»Bringen wir es hinter uns«, sagte Clay und konzentrierte sich auf das Gespräch mit dem Polizisten, dessen gestohlenes Eigentum im Mittelpunkt eines verdammt schlechten Tages stand.
Baltimore, Maryland
Dienstag, 3. Dezember, 18.50 Uhr
Joseph kam schlitternd vor der Eingangstür von Richard Odums Haus zum Stehen. Bo war zuerst dort gewesen und steckte nun den Kopf durch den Eingang und blickte die Treppe hinauf.
»Was ist los?«, brüllte er.
»Uns ist nichts passiert.« Oben an der Treppe tauchte Innis auf. »Sie können jetzt raufkommen. Schauen Sie sich an, was passiert wäre, wenn Sie die Kinderzimmertür aufgemacht hätten.«
Joseph ging hinter Bo die Stufen hinauf und blieb wie angewurzelt stehen. »Ach du Schande!« In der Wand, die der Kinderzimmertür gegenüberlag, befand sich nun ein Loch in Toastergröße.
»Eine Vorrichtung hat ein Schrotgewehr abgefeuert«, sagte Innis. »Ziemlich simple Vorrichtung. Ein Strick führte vom Türknauf über einen Haken an der Decke wieder runter zum Auslöser. Der Lauf zeigte direkt auf die Tür. Sie hätten ein großes Loch im Bauch gehabt, wenn Sie da reinmarschiert wären.«
»Ja, das sehe ich«, sagte Joseph. »Was ist mit dem Baby?«
Innis’ Partner, Poehler, trat mit einem kleinen Bündel, das in eine rosa Decke gewickelt war, zu ihnen. »Scheint okay zu sein. Um die
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