Todeskind: Thriller (German Edition)
positioniert werden, weil es nicht überwacht wurde. In mehr als zwei Drittel aller Fälle, bei denen so etwas geschieht, wurde das Ketamin intramuskulär verabreicht, wie bei diesem Opfer hier. Es war das perfekte Zusammenspiel einzelner Faktoren: Hier ist alles schiefgegangen, was schiefgehen kann. Ich schätze, das Opfer war in sieben bis zehn Minuten tot.« Quartermaine brach ab und starrte Daphne an. »Miss? Alles in Ordnung?«
Daphne war kreideweiß, und zum zweiten Mal an diesem Abend hätte Joseph sich am liebsten selbst in den Hintern getreten. Du hast zugelassen, dass sie mithört, was Zacharias zugestoßen ist, obwohl du weißt, dass sie weiß, dass man ihrem Sohn dieselben Drogen verabreicht hat. Und was denkt sich Quartermaine nur dabei?
Aber Quartermaine konnte sich gar nichts dabei denken, begriff Joseph im gleichen Moment. Der Mediziner war erst zu ihnen gestoßen, als die Vorstellungsrunde vorbei gewesen war. Er hatte keine Ahnung, dass er mit der Mutter des Entführten sprach.
Er machte den Mund auf, um eine Erklärung abzugeben, als Daphne ein angestrengtes Lächeln zustande brachte.
»Ja, alles in Ordnung. Sie sind etwas später gekommen als die anderen, und diese Situation ist alles andere als eine normale. Ich bin Daphne Montgomery von der Staatsanwaltschaft. Ford Elkhart ist mein Sohn.«
Quartermaine fiel die Kinnlade herab. »Oh Gott. Verzeihen Sie bitte.«
»Schon gut«, sagte Daphne. Innerhalb von Sekunden hatte sie sich vor aller Augen in eine andere Person verwandelt. Ihre Stimme war tiefer geworden, klang ruhiger. Ihre Haltung war aufrechter, ihr ganzer Körper viel mehr … Zen. »Sie konnten es ja nicht wissen.«
Nun war sie genau die Frau, die er vor Monaten bei Grayson kennengelernt hatte – kühl, gefasst, souverän. Seine Daphne war frech, direkt und herzlich. Diese dort … nicht. Er warf Grayson einen Blick zu und sah, dass auch sein Bruder sie anstarrte. Mit Ausnahme von Quartermaine war diese Verwandlung jedem am Tisch aufgefallen.
Hector Rivera kritzelte etwas auf einen Zettel und schob ihn Joseph zu. Mit dieser Stimme hat sie auch mit ihrem Mann am Telefon und über die Entführung ihrer Cousine damals gesprochen. Ob sie überhaupt merkt, dass sie das tut?
Verdammt gute Frage, dachte Joseph. Und dann war es, als hätte jemand einen Schalter in seinem Kopf umgelegt. Kann sie sich auch beim Sex so verändern? Schlagartig erregt, rutschte er unruhig auf seinem Stuhl umher. Herrgott noch mal. Nicht jetzt! Mit einiger Mühe schob er das Bild von sich, das in seinem Kopf aufflackerte, und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche.
»Tut mir trotzdem leid«, murmelte Quartermaine. »Jetzt fragen Sie sich natürlich, ob dasselbe mit Ford passiert ist. Die Antwort lautet nein.«
Sie hob wie in feinsinniger Ironie die Brauen. »Definitiv nein oder Ihrer Ansicht nach nein?«
Er zögerte leicht verwirrt. »Beides. Hören Sie, Mrs. Montgomery …«
»Miss«, unterbrach sie ihn.
Dr. Quartermaine holte tief Luft. »Okay, Miss Montgomery. Erstens hat Ford sich gewehrt. Wir haben sein Blut in der Gasse gefunden, aber gerade mal so viel, dass er jetzt vermutlich nur noch eine dicke Beule hat. Wären seine Reaktionen so eingeschränkt gewesen wie bei Officer Zacharias, hätte er nicht gegen den Angreifer kämpfen können.«
Sie nickte. »Ich danke Ihnen, Dr. Quartermaine.«
»Neil«, erwiderte er, noch immer etwas aus der Fassung. »Bitte.«
»Wenn Sie Daphne sagen«, gab sie zurück.
Es knisterte im Lautsprecher. »Entschuldigen Sie. Hier ist Clay Maynard. Officer Zacharias hat nebenberuflich für mich gearbeitet.«
»Herrje«, brummte Quartermaine. Er machte den Eindruck, als wäre er im Augenblick am liebsten irgendwo anders – egal, wo, Hauptsache nicht hier. »Entschuldigen auch Sie, Mr. Maynard. Mir war nicht bewusst, dass Sie das Opfer kannten.«
»Schon gut«, erwiderte Clay tonlos. »Ich kann damit umgehen. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob er irgendeine Art von Schutzkleidung anhatte.«
»Nein. Er trug seine Marke an einer Kette unter dem Sweatshirt, aber keine Weste. Das Holster war ebenfalls leer, am Körper oder in der Nähe wurden keine Waffen gefunden. Tut mir leid.«
»Schon gut«, wiederholte Clay. »Danke, dass Sie sich respektvoll um ihn kümmern.«
Joseph wandte sich Brodie zu. »Haben Sie schon herausgefunden, wie Kimberly und Ford aus der Gasse hinausgeschafft wurden?«
»Ja«, sagte Brodie. »Ich war noch einmal am Tatort, nachdem
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