Todeskind: Thriller (German Edition)
zu kidnappen und sich auf diese Art der Mitarbeit ihrer Schwester zu versichern. Irgendwann im Leben hat man diesen Mann jeglicher Selbstbestimmung beraubt. Wahrscheinlich schon ganz früh. Er holt sich die Macht zurück.«
»Aber warum?«
»Das ist die Millionen-Dollar-Frage. Er gibt Daphne die Schuld an etwas, das tief sitzt.«
»Sie hat in ihren Akten nachgesehen, ob sie ihn irgendwann vor Gericht gebracht hat. Aber wenn ›Doug‹ tatsächlich als Bestandteil in seinem Namen vorkommt, dann hat sie das nicht.«
»Ich denke, hier geht es um mehr als eine vermeintlich kaltblütige Staatsanwältin, die einen lausigen Deal anzubieten hatte. Doug hat etwas – oder jemanden – verloren. Diese Form der Intensität … die ist nicht leicht aufrechtzuerhalten. Sie zehrt an den Kräften. Ich könnte mir vorstellen, dass er Daphne für den Tod einer Person verantwortlich macht.«
Joseph holte tief Luft. »Okay. Jetzt wissen wir wenigstens, wie wir die Suche etwas eingrenzen können.«
»Noch eines. Auch das Fehlen von Treffern bei Google bedeutet etwas.«
Joseph nickte. »Der Mann ist kein gelangweilter Websurfer. Er hat Informationen, die ich nicht habe.« Weil ich nicht gefragt habe. Was ich morgen früh als Erstes tun werde.
»Wenn Daphne ihre Geschichte erzählt hat, musst du herausfinden, wer sonst noch Zugang zu diesen Informationen haben könnte. Joseph, sei vorsichtig. Dieser Kerl kümmert sich einen feuchten Dreck um Kollateralschäden.«
Joseph dachte an das tote Au-pair-Mädchen. An Isaac Zacharias. Und an all die anderen, die von dem Kerl und seiner Anhängerschaft getötet oder verwundet worden waren. »Mach ich.« Er beugte sich vor und küsste seine Schwester auf die Wange. »Ich halte dich auf dem Laufenden. Dank dir, Zoe.«
Marston, West Virginia
Mittwoch, 4. Dezember, 1.30 Uhr
Ford Elkhart war netter, als ich es gewesen wäre. Der Junge hatte die Tür der Hütte geschlossen und die Heizung angelassen, nachdem er den alten Mann nackt ausgezogen hatte. Ich hätte ihn erfrieren lassen.
Mitch rollte die Schultern und bereitete sich darauf vor, eine erstklassige Schimpftirade loszuwerden. Er stieß die Tür auf. »Was zur Hölle ist denn hier passiert? Wo ist der Junge?«
»Mach die verdammte Tür zu!«, presste Beckett hervor. »Und bind mich los!«
Er warf die Tür zu und trat in den Raum. Der Anblick von Becketts knochigem Hintern ließ ihn innerlich schaudern. »Was ist passiert?«, fragte er erneut, während er Schubladen aufzog und zuschob. »Wo sind deine Messer?«
»Dieses kleine Arschloch hat alle eingesackt.«
Mitch nahm seine Schlüssel aus der Tasche und säbelte an dem Strick. Ford hatte wirklich gute Arbeit geleistet und die Fesseln so festgezurrt, dass sie Beckett ins Fleisch schnitten. Der Strick riss, und der Alte nahm die Schultern nach vorne.
»Die Messer sind wohl nicht alles, was er mitgenommen hat. Deinen Truck auch. Ich habe ihn am Straßenrand gefunden – kein Treibstoff mehr. Ich hab ihn dir zurückgeschleppt.«
Er sägte an den Stricken um Becketts Fußknöchel und wich dann rasch zurück. Eine kluge Entscheidung, denn der Alte rollte herum und schwang gleichzeitig die Faust, doch weil er nur Luft traf, plumpste er wie ein Käfer auf den Rücken zurück.
Bah, bitte nicht. Die Vorderansicht war weit schlimmer als die von hinten. Mitch zog die Decke vom Bett und warf sie über Becketts Körpermitte. »Wie lange ist es her, dass er abgehauen ist?«
Beckett gab keine Antwort. Er kam auf die Füße und begann, in der Schublade zu kramen, in der die Munition für das Gewehr gewesen war. »Wo sind die Patronen?«
»Keine Ahnung.« Was glatt gelogen war. Er hatte verhindern wollen, dass der Alte Ford bei seinem Fluchtversuch niederschoss, daher hatte er die Schachteln am Abend zuvor geleert. »Vielleicht hat der Junge sie mitgenommen.«
Beckett verengte die Augen. »Mein Gewehr war nicht geladen.«
»Du hast versucht, auf den Jungen zu schießen?«
»Nein, er hat versucht, auf mich zu schießen.«
»Bei seiner Flucht?«
Becketts Gesicht wurde rot. »Ja.«
Mitch war beeindruckt, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Finster starrte er Beckett an. »Na, großartig. Wahrscheinlich hat er Gewehr und Munition mitgenommen.«
»Er hat behauptet, die Schachteln wären leer.«
»Na klar, er wollte ja auch abhauen. Er hätte alles gesagt. Du hast ein höllisches Ei am Schädel. Warst du weggetreten?« Was Mitch bereits wusste. Er hatte es über die Webcam
Weitere Kostenlose Bücher