Todeskind: Thriller (German Edition)
das Gerücht verbreitete sich in Windeseile. Dass Scott für Daphne Partei ergriff, kostete ihn sein Unternehmen und das, was ihm von seinem Besitz geblieben war. Die Insolvenz machte auch seine Ehe kaputt.
Als Daphne diese Farm kaufte, nahm sie sofort Kontakt zu ihm auf. Damals war er allein, deswegen zog er hierher. Er fing wieder an, Ford zu trainieren, und weil Ford immer öfter gewann, wendete sich das Blatt für Scott wieder. Eltern brachten ihre Kinder zu ihm, und irgendwann konnte er die benachbarte Farm kaufen. Scott ist ein treuer Freund, und er war das männliche Vorbild in Fords Jugend.«
»Und was geschah weiter?«
»Oh.« Maggie lächelte, und Joseph entspannte sich ein bisschen. »Travis entwarf eine Scheidungsvereinbarung, die allerdings nur in Kraft trat, wenn Daphne das Sorgerecht für Ford aufgab. Sie hätte sich dagegen wehren können und vermutlich auch gewonnen, aber der ganze Vorgang hätte viel Zeit gekostet. Sie brauchte aber sofort ärztliche Hilfe.«
Plötzlich wünschte sich Joseph, die Uhr, die sie in der Blutpfütze vom Typ B negativ gefunden hatten, würde tatsächlich Travis Elkhart gehören. Schäm dich. Oder nein, eigentlich nicht. »Was also hat sie getan?«
»Viel geweint. Zu dieser Zeit kam ich her. Simone war mit ihrem Latein am Ende und wusste nicht mehr, wie sie Daphne die Art von Therapie verschaffen konnte, die sie brauchte. Travis war es gelungen, Daphne vor die Wahl zwischen ihrem Leben und ihrem Sohn zu stellen.«
»Dieser Mistkerl.«
»Da haben Sie zweifelsohne recht.«
»Aber sie bekam die Therapie.«
Maggies Lächeln wurde breiter. »Ich war erst ungefähr vier Stunden in ihrem Haus, als Ford zu mir kam. Er war damals zwölf. In Anzug und Krawatte marschierte er die Treppe hinunter und bat mich, ihn zum Anwesen seiner Großmutter in Virginia zu fahren. Ich war sehr neugierig, was er da wollte, aber er teilte sich mir nicht mit. Ich fuhr ihn also hin und wartete im ›Salon‹, während er mit seiner Großmutter hinter einer verschlossenen Tür sprach. Als er wieder rauskam, schob er ein Stück Papier in seine Tasche und sah sehr zufrieden aus. Nadine allerdings war ziemlich blass. Ford wandte sich um und sagte so erwachsen, wie man es sich nur vorstellen kann: ›Wir haben eine Vereinbarung. Alle Rechnungen werden pünktlich bezahlt.‹ Nadine bestätigte, dass sie Daphnes Ärzten am nächsten Morgen sofort die neue Rechnungsadresse mitteilen würde. Ford sah seine Großmutter mit einem merkwürdigen Blick an und klopfte sich leicht auf die Tasche, in der der Zettel verschwunden war.«
Joseph riss die Augen auf. »Der Junge hat seine Großmutter erpresst?«
»Ich denke schon. Er hat mir nie Genaueres erzählt, und ich habe das Thema nie wieder angesprochen. Danach war alles anders. Daphne bekam die Behandlung und eigentlich so gut wie alles andere, was sie haben wollte. Es war eine wunderbare Vereinbarung. Ich gebe zu, dass ich gerne gewusst hätte, was auf dem Papier stand, aber ich habe weder Daphne noch Simone davon erzählt, und ich wäre froh, wenn Sie das auch nicht täten, sofern es nicht unbedingt notwendig ist.«
»Ich werde mein Bestes geben. Aber dass Ford seine Großmutter erpresst hat, könnte ein Grund dafür sein, warum der Richter und seine Mutter nicht besonders viel Anteilnahme an seinem Verschwinden zeigen.« Sie zuckte mit den Achseln, und er wechselte das Thema. »Sie sagten, Sie waren Daphnes Tagesmutter. Wann war das und wo?«
»Daphne war acht und in Riverdale.«
»Warum brauchte Daphne denn eine Tagesmutter? Mit acht sind doch viele schon Schlüsselkinder, wenn die Eltern arbeiten. Außerdem dachte ich, die Montgomerys wären arm gewesen.«
»Ich war keine Tagesmutter im Sinne von einer Betreuerin. Eher eine Leihgroßmutter. Simone war alleinerziehend und brauchte etwas moralischen Beistand. Und ich hatte Zeit und wollte mich um jemanden kümmern.«
»Und wo war Simones Mann?«
Maggies Gesicht versteinerte, und nun war sie es, die das Thema wechselte. »Ich habe Ihnen Scott noch gar nicht vorgestellt. Kommen Sie.«
Mittwoch, 4. Dezember, 7.45 Uhr
Joseph folgte Maggie zur letzten Box im Stallgang und drosselte das Tempo, als er sich näherte. Daphne striegelte ein schokoladenbraunes Pferd, das im Stehen zu dösen schien. Etwas an ihr hatte sich verändert. Von ihr ging eine Gelassenheit aus, die er an ihr noch nicht erlebt hatte. Die Sorge war noch vorhanden, aber gedämpft.
Joseph kam näher, um besser sehen zu können, und
Weitere Kostenlose Bücher