Todeskind: Thriller (German Edition)
hätte.«
»Nein«, stritt sie sofort ab. »Sie haben es nicht verdient, dass man Sie angreift, aber Sie sollten nicht großartig schockiert tun. Sie sind kein Pflichtverteidiger. Sie haben sich aus freien Stücken entschieden, einen Mörder zu vertreten.«
Ellis verengte die Augen. »Ich bin keinesfalls mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden, und ich hatte auch nicht das Glück, ein blendendes Geschäft mit einer unschönen Scheidung zu machen. Sie können es sich vielleicht leisten, die Flagge der Moral zu hissen, ich dagegen muss die Miete zahlen, also nehme ich die Fälle an, die ich kriegen kann, und entschuldige mich nicht dafür.«
Goldener Löffel, dachte sie. Wut brodelte in ihr auf. Von wegen. Sie presste die Lippen zusammen und war froh, dass die Sanitäter mit der zweiten Trage hereinkamen, um Reggies Anwalt abzutransportieren. Grayson und Daphne sahen ihnen nach, bis die Türen sich hinter ihnen schlossen.
»Wenn der wüsste, was ich für den goldenen Löffel in meiner Scheidungsabfindung bezahlt habe«, brummelte Daphne und zuckte mit einem unbehaglichen Gefühl die Achseln.
Wäre es nur um sie allein gegangen, hätten die Millionen ihres Ex-Mannes sie nicht einmal im Ansatz interessiert. Aber es war nicht nur um sie gegangen, sondern vor allem um Ford und seine Zukunft. Also hatte sie gekämpft, und darüber war sie bis heute froh. Die Scheidungsvereinbarung hatte es ihr ermöglicht, ihren Traum zu verwirklichen, Jura zu studieren und letztlich Leute wie die Turners vor Gericht zu vertreten.
Grayson zog die Brauen hoch. »Von dem bisschen, was ich über deinen Ex weiß, würde ich sagen, du hast dir deinen goldenen Löffel sauer verdient.«
Sie nickte. »Zwölf Jahre mit Travis Elkhart zu leben war in der Tat harte Arbeit«, sagte sie in lockerem Tonfall. »Und mit seiner Mutter zu leben war noch härter. Apropos Mütter …« Froh über die Möglichkeit, das Thema zu wechseln, setzte Daphne sich auf die Tischkante. »Cindy Millhouse hat mir einen Heidenschrecken eingejagt. ›Ich schwöre dir bei Gott, dass du erfahren wirst, wie sich das anfühlt‹«, zitierte sie und schauderte.
»Cindy hat ein Messer ins Gericht geschmuggelt, eine Staatsanwältin bedroht und sich der Festnahme widersetzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihr eine Kaution gewährt.«
»Kann sein, aber sie und Bill haben Handlanger. Und wo wir gerade von Bill sprechen – wo war der eben eigentlich, als hier das Chaos ausbrach? Ich habe den Bruder mit einem Polizisten kämpfen sehen, nicht aber den Vater.«
»Er hat das Gericht unmittelbar nach der Urteilsverkündung verlassen. Vermutlich wollte er der Presse seine Version der Dinge erzählen, bevor du es tust.«
»Also ist er irgendwo da draußen. Das macht mich nervös.« Aber Nervosität brachte sie nicht weiter, und sie wollte verdammt sein, wenn sie auf Tauchstation ginge. »Willst du eine Stellungnahme abgeben? Die Presse wird sich schon draußen auf der Treppe drängeln.«
»Ob ich eine Stellungnahme abgeben will? Nein, ganz sicher nicht, aber wir tun’s trotzdem. Oder besser: Du tust es. Es war dein Fall. Den du, ganz nebenbei, glorreich gewonnen hast. Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke«, sagte sie. »Heute werde ich wenigstens gut schlafen.«
»O ja, das wirst du«, gab er mit einem kleinen Lächeln zurück.
»Aha? Und was genau soll das heißen?«
»In unserem Kühlschrank steht eine Flasche Champagner mit deinem Namen drauf. Paige hat sie gekauft, als ihr mit der Auswahl der Geschworenen begonnen habt. Sie ist unheimlich stolz auf dich.«
Graysons Miene wurde weicher, wann immer er seine Verlobte erwähnte. Es wärmte Daphne das Herz, wenn sie daran dachte, wie sehr die beiden aneinander hingen.
Neun Monate zuvor war Paige auf der Suche nach Gerechtigkeit für Ramon Muñoz, der unschuldig im Gefängnis gesessen hatte, in ihr Leben geplatzt. Und nun war sie nicht nur mit Grayson verlobt, sondern auch eine wunderbare Freundin für Daphne. Gemeinsam hatten Paige und sie WomenServingWomen gegründet – zunächst nur zum Schein, damit Paige verdeckt im Fall Muñoz hatte ermitteln können, doch als das erledigt gewesen war, hatte die Stiftung Gestalt angenommen. Im Augenblick befand sich unter dem Dach von WSW nur Paiges Karateschule, aber sie beide hatten große Pläne.
Am Tag, an dem Daphne den Millhouse-Fall übernommen hatte, hatte sie Paige gestanden, sie habe Angst, die Sache könne zu groß für sie sein. Dass ihre Freundin den
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