Todeskind: Thriller (German Edition)
ganz sicher, aber ich habe gestern Nacht die Melodie gehört, als Simone einen Alptraum hatte und Maggie sie beruhigen wollte. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um eine Einschlafhilfe handelt.«
»Und wie ist sie zu Bruch gegangen? Jetzt sagen Sie bloß nicht, eine der beiden hat damit geworfen.«
»Nein. Simone hat ein Kissen geschleudert, das die Spieluhr von der Kommode fegte. Als ich hereinkam, wollte Maggie ihr gerade helfen, die Einzelteile aufzusammeln, doch Simone fuhr sie an, sie hätte für den Rest ihres Lebens genug von Maggies Hilfe. Mir schien es so, als hätten sie sich bis zu dem Moment über Daphne gezankt. Jedenfalls hat Simone sehr oft das Wort ›Verrat‹ gebrüllt. Mehr weiß ich nicht.«
»Ich kann mir einiges zusammenreimen. Maggie hat von Beckett gewusst, und zwar nahezu von Anfang an.«
Kate blickte gequält. »Autsch. Und sie hat Simone nichts gesagt?«
»Maggie sah sich in einer Art Therapeutenrolle. Daphne hatte sie angefleht, niemandem etwas zu sagen, vermutlich hat sie befürchtet, ihre Mutter könnte Jagd auf Beckett machen.«
»Und dann hätte Beckett sie getötet.« Kates Mundwinkel zogen sich mitfühlend herab. »Das nach all den Jahren herauszufinden ist sicher Grund für einen Bruch. Na ja, ich halte mich da lieber raus.«
»Klug. Ich habe eigentlich geklopft, um Hector zu bitten, ein Auge auf Daphnes Zimmer zu halten, während ich mit dem Hund gehe, aber ich muss zugeben, dass die Pizza verdammt gut riecht.«
»Dann kommen Sie doch rein und bedienen sich«, rief Hector vom Sofa aus. »Das Essen geht sowieso auf Spesen.«
Hm … entspannt Pizza auf der Couch essen oder zu Daphne ins Bett kriechen?
»Ich bin erledigt. Ich denke, ich klaue mir ein Stück, bringe den Hund hinaus und gehe ins Bett.«
Hector kam an die Tür, gab ihm ein Stück und musterte ihn amüsiert. »Irgendwie habe ich mir schon gedacht, dass Sie das sagen. Essen Sie, Chef. Man weiß nie, wann man plötzlich einen frischen Energieschub braucht.«
Kate versuchte, sich das Grinsen zu verbeißen, und Joseph erkannte, dass er sich die Show sparen konnte.
»Danke.« Mit dem letzten Rest Würde, der ihm geblieben war, nahm er Hector das Stück aus der Hand. »Morgen früh um sieben zur Einsatzbesprechung in meinem Zimmer. Seien Sie pünktlich. Gute Nacht.«
Erst als er am Fahrstuhl angekommen war, gestattete sich Joseph ein breites Grinsen.
23. Kapitel
Wheeling, West Virginia
Donnerstag, 5. Dezember, 0.45 Uhr
Das Schreien machte sie schlagartig wach. Daphne schnappte nach Luft, riss die Augen auf und versteifte sich. Und lauschte. Nichts.
Vorsichtig atmete sie wieder aus. Nur ein Alptraum. Sie hatte damit gerechnet. Nach allem, was gestern passiert war, hätte es gar nicht anders sein können.
Ein starker Arm schlang sich um ihre Taille und zog sie gegen einen warmen, harten Körper. Joseph. Seine Hände schoben sich unter ihren Pyjama und legten sich sanft, aber besitzergreifend über ihre Brüste.
»Ich bin hier«, murmelte er. »Du bist in Sicherheit.«
»Ich weiß.« Jetzt. »Es war nur ein Traum.«
»Derselbe, den du vergangene Nacht hattest?«
»Ja.«
Er legte seine Lippen an ihren Hals, küsste sie jedoch nicht, sondern hielt nur den Kontakt. »Erzähl mir davon.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich höre nichts als Geschrei.«
»Kelly?«
»Manchmal. Manchmal bin ich es auch. Ich laufe und laufe und kann nicht atmen. Und dann kommt ein Loch … im Boden. Ich bleibe immer noch rechtzeitig stehen. Aber das Loch ist dunkel. Und ich weiß, dass etwas Böses drin ist. Dann kommt er und stößt mich rein.«
Sein Arm schloss sich fester um sie. »Und dann?«
»Wache ich auf. Der Symbolismus ist nicht besonders subtil, ich weiß. Ich schreie niemals laut, jedenfalls nicht dass ich wüsste. Früher dachte ich immer, es hört eines Tages auf, aber das tut es leider nicht.«
Er schwieg eine lange, lange Weile. Nur die leichte Spannung seines Körpers verriet ihr, dass er nicht schlief. »Ich weiß.«
Seine Stimme klang tonlos.
Daphne drehte sich in seinen Armen zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. Seine Kiefer waren zusammengepresst, seine Augen offen, starr. Ohne zu blinzeln, blickte er ins Leere.
»Erzähl es mir«, murmelte sie und legte ihm die Hand an die Wange. »Was weißt du?«
Nun blinzelte er und blickte sie an, Pein in seinen Augen. »Ich weiß, wie es ist, Schreie zu hören und sie nicht aussperren zu können.«
»Hast du Jo schreien hören?«, fragte sie.
Er
Weitere Kostenlose Bücher