Todeskind: Thriller (German Edition)
Dringenderes gibt, womit du deinen Verstand beschäftigen solltest.« Er erzählte Grayson Daphnes Geschichte und endete damit, wie Beckett noch lange Zeit immer wieder schier aus dem Nichts »aufgetaucht« war.
Grayson war sehr still geworden, während er zuhörte, und als er nun sprach, klang seine Stimme eisig. »Ich hoffe, dass er versucht, sich der Verhaftung zu widersetzen.«
Damit ich einen Grund habe, ihn abzuknallen. »Ja, das wäre praktisch. Das größere Problem im Augenblick besteht aber darin, dass wir mindestens ein weiteres Opfer haben – in Anbetracht der Tatsache, dass inzwischen fast dreißig Jahre vergangen sind, wahrscheinlich noch einige mehr. Daphne hat wegen einer Falschauskunft des FBI zwanzig Jahre lang geglaubt, dass Beckett tot ist.«
»Da hat sich anscheinend jemand geirrt.«
»Tja. Daphne macht sich ohnehin mehr Sorgen darum, erklären zu müssen, warum sie ihn erst sieben Jahre nach ihrer Entführung anzeigen wollte.«
Grayson seufzte müde. »Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass sie sich unnötige Sorgen macht. Zwar glaube ich kaum, dass jemand, der halbwegs bei Verstand ist, ihr tatsächlich Schuld geben würde, aber allein ihr Name in den Schlagzeilen könnte ihre Arbeit vor Gericht behindern. Statt die Stimme der Opfer zu sein, die sie vertritt, wird sie selbst zur Story werden. Natürlich wird sich die Aufregung auch wieder legen, aber eine Weile wird es sicher nicht leicht sein.«
»Es kommt aber noch schlimmer«, sagte Joseph mit einem Blick auf den Laptopbildschirm. »Ich kann in West Virginia keinen Totenschein für Wilson Beckett finden, aber Daphne behauptet, sie bewahre eine Kopie davon in ihrem Banktresor auf.«
»Das ist gar nicht gut.«
»Ich weiß. Und deswegen rufe ich dich an. Ich brauche ein paar Anregungen von deiner Seite, bevor ich es Daphne sage. Sie hat schon genug durchgemacht. Ich bin überzeugt, dass sie die Wahrheit sagt, was den Totenschein angeht. Bleiben also zwei Optionen.«
»Ein Behördenfehler, oder jemand hat sie über den Tisch gezogen«, sagte Grayson knapp.
»Genau das. Wenn es ein Behördenfehler war, ist es eigentlich unmöglich, dass sich die Daten nicht online finden lassen. In diesem Fall muss es ja trotzdem eine Leiche gegeben haben. Und es muss ein Leichenbeschauer beteiligt gewesen sein, der die Urkunde ausgestellt hat. Ich habe vorhin mit der Frau gesprochen, die im Polizeiarchiv arbeitet, sie scheint sich ziemlich gut auszukennen. Vielleicht erinnert sie sich ja an etwas aus der Zeit, in der Daphne die Unterlagen angefordert hat.«
»Glaubst du denn an einen Behördenfehler?«
»Nein. Ich glaube, jemand wollte, dass sie Beckett für tot hält.«
»Aber wer sollte das sein? Beckett selbst?«
»Vielleicht. Daphne wurde älter. Und sie wohnte bei den Elkharts. Er hatte also kaum noch eine Chance, einfach aufzutauchen und ihr Angst einzujagen. Vielleicht hat er befürchtet, dass sie all ihren Mut zusammennehmen und ihn anzeigen könnte. Falls er nicht selbst der Fälscher war, muss er auf jeden Fall gewusst haben, dass sie den Totenschein angefordert hat.«
»Klar. Aber wer käme noch in Frage?«
»Er ist der Einzige, dessen Motiv in meinen Augen Sinn ergibt. Aber es bleibt ja auch noch die Frage, wie Daphne überhaupt an den Schein gekommen ist. Sie ist mit dem FBI in Verbindung getreten, um Beckett anzuzeigen, und dort teilte man ihr mit, dass er tot sei. Sie wollte einen schriftlichen Beweis und forderte daher den Schein im Archiv des Bundesstaats an. Am Ende hatte sie gleich zwei Kopien: eine, die FBI-Agentin Baker ihr gab, die zweite, die sie einen Monat später per Post vom Staat erhielt. Das alles lässt zumindest darauf schließen, dass diese Agentin existiert.«
»Du solltest ihre Personalakte anfordern.«
»Hab ich schon. Nachdem ich Daphnes Geschichte gehört hatte, habe ich um den Ermittlungsbericht gebeten und darum, dass Baker mich anruft. Gerade habe ich eine E-Mail an Bo geschickt, in der ich mich nach ihrer Akte erkundige. Mit etwas Glück wissen wir morgen früh mehr.«
»Wie hat sie sich mit dem FBI in Verbindung gesetzt? Ist sie persönlich in einer Zweigstelle erschienen, oder hat sie angerufen?«
»Weder noch. Sie hat einen Brief geschrieben.«
»Warum hat sie nicht angerufen?«
»Keine Ahnung. Ich frage sie, wenn sie aufwacht. Aber ich habe den Eindruck, dass ihre Schwiegermutter sie ziemlich genau im Auge behalten hat. Vielleicht hatte Daphne Angst, dass man ihre Telefonate abhörte. Und
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