Todeskind: Thriller (German Edition)
mitgenommen?«
»Was?« Eine lange Pause entstand. »Nein. Haben wir nicht. Wir hätte es tun müssen, haben wir aber nicht.«
»Er war nicht da, um jemandem Waffen zu verkaufen, sondern als ganz normaler Kunde, der Schulsachen für seinen Bruder brauchte. Vielleicht hat er in dieser Rolle nicht aufgepasst. Vielleicht finden wir Fingerabdrücke auf der Packung.«
»Ich kümmere mich sofort darum. Der Laden ist vierundzwanzig Stunden geöffnet. Ich schicke einen Polizisten dorthin, der auf das Regal aufpasst, bis die Spurensicherung da ist. Es ist eine ziemlich vage Angelegenheit, aber einen Versuch wert. Ich melde mich, sobald wir etwas finden.«
Joseph legte auf und drückte Simone und Maggie jeweils einen Kuss auf die Wange. »Wünschen Sie mir Glück.« Dann drehte er sich um, spürte ihre Blicke in seinem Rücken und trat grinsend hinaus auf die Straße. Als sein Telefon klingelte, ging er nahezu euphorisch dran. »Agent Carter am Apparat.«
»Joseph. Hier spricht Bo.«
»Hat Brodie Sie schon informiert?«
»Worüber?«
Joseph erzählte ihm vom Sekundenkleber und konnte sich nur mühsam beherrschen, nicht ein kleines Tänzchen auf den Asphalt zu legen.
»Großartig«, kommentierte Bo, klang aber alles andere als begeistert.
»Was ist los? Wie ist die Razzia von Antonovs Lager gelaufen?«
»Bescheiden. Die Halle war leer, als wir eintrafen. Die müssen in einer Blitzaktion Hunderte von Kisten weggeschafft haben. Die Sprengstoffhunde haben Spuren von Munition gefunden, aber für einen Beweis reichte es nicht.«
»Verdammt. Tut mir leid, Bo.«
»Ja, mir auch. Antonov ist seit Monaten schon auf dem Radarschirm des ATF. Ihn aufzuhalten hätte verhindert, dass die Russenmafia in der Gegend einen Fuß in die Tür bekommt, aber jetzt können wir wieder von vorne anfangen. Deswegen rufe ich allerdings nicht an.«
»Und warum dann?« Josephs Verstand setzte ein. »Oh. Ja, Entschuldigung. Ich habe Ihnen vor ein paar Stunden eine E-Mail geschickt und um Informationen zu Claudia Baker gebeten. Haben Sie was?«
»Ja. Es gibt sie nicht. Hat sie nie gegeben. Das FBI hat keine Akte über eine Agentin namens Claudia Baker in D. C. oder irgendwo anders.«
»Verdammt«, stieß Joseph hervor. »Das hatte ich befürchtet.«
»Sind Sie sich sicher, dass Daphne sich nicht geirrt hat?«
»So sicher, wie man sein kann, wenn man vor zwanzig Jahren nicht selbst dabei gewesen ist. Haben Sie auch Ehe- und Mädchennamen überprüft?«
»Natürlich. Ich war gründlich. Wir müssen dringend mit Daphne reden, denn wenn wir davon ausgehen, dass sie wirklich mit jemandem gesprochen hat, dann jedenfalls nicht mit einer FBI-Agentin.«
Wenn wir davon ausgehen? »Sie lügt nicht, Bo. Jemand hat ihr etwas vorgemacht.«
»Wie Sie schon richtig sagten: Sie waren vor zwanzig Jahren nicht dabei, Joseph. Wollte ich Advocatus Diaboli spielen, käme ich zu dem Schluss, dass sich ihr jahrelanges Schweigen gar nicht gut macht. Sie ist jetzt Staatsanwältin. Vielleicht hat sie plötzlich nach einem Ausweg gesucht.«
Josephs Jähzorn erwachte. »Ich rede mit ihr. Frage sie, wo und wie genau sie dieser vermeintlichen Agentin begegnet ist. Wenn es sein muss, werden wir einen Phantomzeichner hinzuziehen. Denn wer immer sich als Claudia Baker ausgegeben hat, hat sie davon abgehalten, einen Mord anzuzeigen.«
»Und warum sollte jemand das tun?«
»Keine Ahnung. Aber zu dem Zeitpunkt wohnte sie bei den Elkharts. Falls sie von ihrem Vorhaben erfahren hätten, wären sie sicher nicht begeistert gewesen. Kaum eine vermögende Familie will einen Skandal, am wenigsten, wenn politischer Ehrgeiz vorhanden ist. Travis Elkhart ist Richter – das wäre ihm nicht gut bekommen.«
»Damals war er noch kein Richter.«
»Aber vielleicht wollte er einer werden. Wir können gut und gerne den ganzen Tag lang spekulieren, aber das bringt uns der Wahrheit keinen Schritt näher. Außerdem stehe ich hier draußen und friere mir den Hintern ab. Wir schalten uns um sieben zu einer Konferenz zusammen. Wollen Sie dabei sein?«
»Ja. Ich würde mir Daphnes Geschichte gerne selbst anhören. Seien Sie vorsichtig, Joseph. Und vergessen Sie nicht: Sie waren vor zwanzig Jahren wirklich nicht dabei.«
»Wir sprechen uns um sieben wieder«, sagte Joseph und stampfte grimmig zurück ins Hotel. Er ließ den Fahrstuhl links liegen und nahm die Treppe. Ihr Flur befand sich zwar im siebten Stock, aber die Anstrengung würde seinen Ärger dämpfen, und dem Hund konnte die
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