Todeskind: Thriller (German Edition)
One-Night-Stand mit fünfzehn schwanger geworden war, war plötzlich im Besitz von etwas sehr, sehr Wertvollem gewesen: dem nächsten Erben der Elkharts.
Aber dann war sie in den Besitz der Elkharts übergegangen. Sobald Travis’ Mutter von der Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sie sich Daphnes bemächtigt und diese in ihre Welt eingeführt, ob sie nun wollte oder nicht.
Von jenem Tag an hatte Daphne zu spüren bekommen, dass sie selbst praktisch nichts mehr zu sagen hatte. Travis’ Mutter traf Entscheidungen, zwang ihren Sohn, ein »Provinzmädchen« zu heiraten, das er nicht liebte, und formte dann jenes Mädchen zu einer Frau, die den Elkharts keine Schande machte.
Daphne hatte von jenem Tag an aber auch zu spüren bekommen, dass sie in der Welt der Elkharts eigentlich nichts zu suchen hatte. Sie war und blieb eine Außenstehende, und ihre Bindung an die Familie bestand ausschließlich über Ford. Beklagt hatte sie sich allerdings nie – wieso auch? Sie hatte ihr eigenes Zimmer, durfte lernen, hatte immer genug zu essen und anzuziehen.
Sie hatte alles gehabt – außer einem Menschen, dem sie etwas bedeutete. Ausgenommen ihren Sohn, natürlich. Sie hatte sich mit einigen wenigen Leuten auf dem Anwesen angefreundet und natürlich auch noch ihre Mutter und Maggie gehabt, aber die beiden hatten noch immer in West Virginia gewohnt und hätten genauso gut auf dem Mond leben können.
Daphne war nicht wirklich eine Gefangene gewesen. Sie hatte das Anwesen verlassen dürfen – wenn sie ihre Schwiegermutter um Erlaubnis gefragt und eine Leibwache mitgenommen hatte, was in der Sprache der Elkharts die Bezeichnung für eine Anstandsdame war. Und natürlich hätte man sie nicht hindern können, wenn sie denn wirklich hätte gehen wollen, aber man hätte dafür gesorgt, dass ihr das Sorgerecht entzogen worden wäre, und Ford hätte sie niemals zurückgelassen.
Also hatte sie es zwölf Jahre lang ausgehalten. Mit einem Ehemann, der ständig fremdgegangen war, und einer Tyrannin als Schwiegermutter war Daphne sehr einsam gewesen. Ohne Ford hätte sie nicht gewusst, was sie hätte tun sollen. Doch ihn aufwachsen zu sehen war es wert gewesen, jeden Morgen aufzustehen.
Nun war er fast schon ein erwachsener Mann. Er braucht seine Mama nicht mehr. Und so großartig ich seine zunehmende Unabhängigkeit auch finde, so bin ich doch bald wieder allein und ohne Perspektiven.
Perspektiven. In letzter Zeit drehten sich ihre Gedanken häufig darum, und man brauchte kein Einstein zu sein, um den Grund dafür zu erkennen. Ihr Zuhause war leer, und die Zeit, die vor ihr lag, sah noch viel leerer aus. Die Abende waren öde, und nur das Murmeln des Fernsehers und das Bellen ihres Hundes schienen ihr Haus von einer Gruft zu unterscheiden.
Die Tage waren allerdings noch schlimmer. Mit Grayson zu arbeiten bedeutete, immer wieder Telefongespräche mit der Frau, die er liebte, mitzubekommen. Jeden Tag wurde Daphne mit Koseworten und wundervoll banalen Sätzen wie Bring doch noch Milch mit konfrontiert, aus denen sich ein lebenswertes Dasein zusammensetzte.
Ein Dasein, wie sie es sich immer gewünscht hatte.
Ich beneide Paige. Daphne missgönnte ihrer Freundin nichts von ihrem Glück, aber manchmal konnte sie es kaum ertragen, das Leuchten in Paiges Augen zu sehen, wenn sie Graysons Namen aussprach. Dann ist mir immer zumute, als hätte jemand einen Scheinwerfer auf meinen Einzeltisch gerichtet.
Es war ja nicht so, als hätte sie keinerlei Optionen. Sie hatte eine ganze Reihe von Angeboten – allerdings meistens für Affären ohne Verpflichtungen. Kein Interesse. Sie wollte einen Mann, der zu ihr stand. Einen, der blieb. Sie wollte einen für gute wie für schlechte Zeiten. In Gesundheit und Krankheit. Klar, träum weiter.
Seit ihrer Scheidung waren ihr nur wenige Männer begegnet, die dasselbe wollten. Und, ja, es waren nette Burschen gewesen, nur war kein Funke übergesprungen. Ich will Funken. Ich habe ein bisschen Funkensprühen verdient.
Vor Monaten hatte sie geglaubt, den Funken gespürt zu haben. Beim Anblick des Mannes hatten sich ihre Pupillen geweitet, Atem und Puls beschleunigt, und das passierte noch immer jedes Mal, wenn sie ihn sah. Was, wie es das Schicksal so wollte, inzwischen ziemlich oft geschah. Da er der Bruder ihres Chefs und zukünftiger Schwager ihrer besten Freundin war, waren Begegnungen mit ihm nahezu unvermeidlich geworden.
Zuerst hatte sie sich darüber gefreut. Sie hatte ihn bei
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