Todeskind: Thriller (German Edition)
Wohltätigkeitsveranstaltungen getroffen und festgestellt, dass er im Smoking – so groß, düster und gefährlich – einfach atemberaubend aussah. Außerdem war er in den vergangenen drei Monaten regelmäßig Zuschauer in Paiges Karateschule gewesen, wo er die Fortschritte seiner Schwester Holly mit solch einem Stolz verfolgte, dass Daphne feuchte Augen bekommen hatte. Daphne bemerkte ihn immer. Jedes einzelne Mal.
Er dagegen schien sie nie zu bemerken. Er findet mich anscheinend nicht so faszinierend wie ich ihn. Wenn sie ihm in der Karateschule begegnete, hielt er Abstand. Als hätte ich die Pest oder so was.
Obwohl es wahrscheinlicher war, dass er sie zu grell fand. Zu provinziell. Das war das Wort, das ihr Ex-Mann so gerne verwendet hatte – häufig mit höhnischem Unterton. In ihrer Ehe hatte sie gelernt, dass »provinziell« nur der elitäre Ausdruck für »asoziales Pack« war.
Mit den Jahren hatte sie ebenfalls gelernt, dass keine Etikette, keine Bildung sie zu einer echten Elkhart machen konnte, Mitglied einer Familie, deren Stammbaum sich bis auf die Pilgerväter zurückverfolgen ließ. Sie würde eben bis ins Grab »provinziell« bleiben. Und als die Ehe letztendlich Geschichte war, war sie froh darüber gewesen.
Denn jetzt bin ich wieder ich. Wer mich nicht mag, wie ich bin, der soll es lassen. Hochtoupierte Frisur, Klamotten in Knallfarben und eine übertrieben gedehnte Sprechweise waren zu ihren Markenzeichen geworden. Wenn sie vor Gericht auftreten musste, gab sie sich ein wenig dezenter, aber im Inneren … im Inneren bin ich immer noch ich und werde mich auch für niemanden mehr verbiegen. Nicht einmal für einen Mann, der bei ihr prompte Schnappatmung auslöste. Am wenigsten für einen solchen Mann. Wer mich nicht mag, wie ich bin …
Sie hatte mehr von Joseph Carter erwartet. Seine Familie war wundervoll – herzlich, freigiebig, aufrichtig. Und bei allem Reichtum sehr bodenständig. Und genau so war er auch. Zumindest seiner Familie gegenüber. Aber mir gegenüber … tja nun, da gibt es eigentlich gar nichts zu sagen. Er ignorierte sie. Als würde ich gar nicht existieren.
Was sie pikste. Okay, was mich kränkt. Und wie. Aber jetzt konnte sie darüber nicht nachdenken.
Sie stand vor der Eingangstür, nur noch Sekunden entfernt von einer Front aus Blitzlichtern und auf sie einschreienden Reportern. Nervös fuhr sie über ihre Perücke und fummelte am obersten Knopf ihres Mantels. Sie hatte ihn ganz geschlossen, damit Welchs Blut auf ihrer Kleidung darunter nicht zu sehen war.
»Du siehst gut aus«, murmelte Grayson, »aber traurig. Du hast gewonnen. Lass dir das nicht von den Millhouses nehmen. Denk an die Turners. Vielleicht können sie jetzt in Frieden ruhen.«
Er irrte sich, was den Grund ihrer Traurigkeit anging, dennoch hatte er recht. Plötzlich schämte sie sich. Hier geht es nicht um dich.
»Danke«, murmelte sie. »Ich brauchte jemanden, der mir die Perspektive zurechtrückt.«
Die Tür ging auf, und augenblicklich setzte das Geschrei ein. Kameras blitzten, Mikrofone wurden ihr entgegengestoßen.
»Showtime«, flüsterte Grayson in ihr Ohr. »Du hast diesen Erfolg verdient, also hau rein.« Er trat zur Seite und ließ sie sich allein den Medien stellen.
Dienstag, 3. Dezember, 11.00 Uhr
Clay starrte aus dem Beifahrerfenster von Joseph Carters Escalade und versuchte, nicht an seinen Freund zu denken, der mit aufgeschlitzter Kehle in einer schmutzigen Gasse lag. Die ganze Nacht schon. Ganz allein.
Aber das Bild hatte sich bereits in seinem Kopf festgesetzt und würde sich zu all den anderen gesellen, die ihn heimsuchten, wenn er nicht schlafen konnte. Was so gut wie jede Nacht geschah . Tuzak. Es tut mir so leid, Kumpel.
Die Trauer legte sich schwer auf seine Brust und drückte ihm die Luft ab. Denk nicht dran. Hör Carter zu. Der im Augenblick mit seinem Chef telefonierte. Hör genau zu und erfahre alles, was es zu erfahren gibt. Damit du den findest, der das getan hat.
»Na ja, er scheint ein ganz gutes Auge zu haben«, sagte Carter gerade. Er spricht über dieses Arschloch Novak. »Jedenfalls hat er Blut und Haare auf dem Asphalt entdeckt, die von Ford Elkhart stammen könnten. Aber darüber hinaus benimmt er sich wie ein Elefant im Porzellanladen.«
Clay versteifte sich. Dass man Fords Haar und Blut gefunden hatte, war keine gute Nachricht, aber etwas Neues.
Und das war auch der Grund, warum Clay nun in Carters SUV saß und nicht in seinem eigenen Auto. Er
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