Todeskind: Thriller (German Edition)
Tag kennengelernt, aber niemals angerufen. Kein einziges Mal. »Na und?«
»Dann bist du gegangen und eine Stunde später zurückgekommen – nicht mehr wiederzuerkennen. Statt voluminöser Frisur ein eleganter, glatter Knoten. Und ein Kleid, für das ich zu morden bereit gewesen wäre.«
»Das von Alexander McQueen«, sagte Daphne. »Ich hatte dir damals schon angeboten, dich zu bedienen. Das gilt immer noch. Du kannst meinen ganzen verdammten Schrankinhalt haben.«
Paiges Augen im Spiegel weiteten sich. »Okay, darauf kommen wir später noch einmal zurück, ja? Aber spulen wir jetzt vor bis zum August. Du und Maggie seid mit deiner Mutter zu ihrem Geburtstag nach Vegas gefahren.«
Paige begann, die Muskeln zwischen Daphnes Schultern zu kneten, und diese spürte, wie ihre Augenlider schwer wurden. »Wenn du das bei Grayson machst, wie bleibt er dann eigentlich wach für all den Sex, mit dem ihr zwei so angebt?«
»Hab ich verraten, wo ich ihn massiere? Bleib bei der Sache, Mädel.«
»Vegas. Mamas Geburtstag.«
»Genau. Während du weg warst, habe ich dein Haus gehütet und deine Post aus dem Briefkasten geholt. Ich habe mir deine DVDs angeschaut und mich in deinem Whirlpool entspannt. Und ich habe deine Klamotten anprobiert.«
Daphne seufzte. Sie wusste, was nun kommen würde. »Du bist in meinem begehbaren Schrank gewesen.«
»Richtig. Und, ja, ich war ein wenig überrascht, als mich all die Styroporköpfe anglotzten.« Sie begegnete Daphnes Blick im Spiegel und lächelte warm. »So lange Zeit hatte ich mich gewundert, wie Daphne sich damals an dem Tag, an dem ich sie zum ersten Mal sah, so schnell so drastisch verändern konnte. Die Klamotten waren ja kein Problem, aber die Frisur? Du hättest die Haare mindestens dreimal waschen müssen, um all das Haarspray aus dem Wust zu bekommen. Unmöglich hättest du es in nur einer Stunde wieder zu Grayson schaffen können. Als ich die Perücken sah, habe ich endlich kapiert.«
»Wolltest du nicht wissen, warum sie da waren?«
»Natürlich wollte ich das. Und das will ich immer noch, weil ich unglaublich neugierig bin. Ich gehe davon aus, dass es mit deiner Krebserkrankung zu tun hat. Und ich gehe davon aus, dass du mir es sagst, wenn dir danach ist.« Sie hob die Schultern. »Oder falls ich dir beim Karate versehentlich mal eine vom Kopf haue.«
Daphne musste lachen, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, kündigte ihr Handy eine SMS an. Von Joseph. Nur wenige Worte. Du glaubst daran. Vergiss es nicht.
Sie blies die Backen auf und stieß den Atem aus. Danke, Joseph. Das hatte ich gebraucht.
Paige beugte sich über ihre Schulter, um aufs Display zu sehen. »Hm. Bruder Joseph kommt auch endlich in die Gänge.«
»Was soll denn das heißen?«
»Ach, komm schon.« Sie riss die dunklen Augen auf. »Meinst du das ernst? Du hast nichts bemerkt?«
»Anscheinend nicht«, erwiderte Daphne pikiert. »Was soll ich bemerkt haben?«
»Dass Joseph dich seit ungefähr neun Monaten beobachtet.«
»Das hat nichts zu bedeuten.« Sie starrte auf die Nachricht. »Er macht nur seine Arbeit.«
»Aber klar, wie du meinst. Ich sage nur, dass Peabody keine Chance hätte, wenn es um einen Welpenblick-Wettbewerb ginge.« Sie trat zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber du weißt, warum er vom Heimatschutz zum VCET gewechselt ist, oder?«
Daphne sah Paige wieder im Spiegel an. »Wegen …«
»Deiner Wenigkeit, ganz genau.« Paige legte den Kopf schief. »Trägst du die Perücken auch im Bett?«
Daphne wurde rot. »Nein.« Sie schloss die Augen. »O Gott. Vielen Dank auch, dass du mir diese Sorge in den Kopf gepflanzt hast.« Aber einen Moment lang war sie nicht mehr außer sich vor Sorge um ihren Sohn gewesen. Ihre Freundin war geschickt. »Ich meine das ernst. Vielen Dank.«
»Gehört zum Service. Komm. Die anderen sind unten und warten auf dich.«
Daphnes Lider flogen auf. »Welche anderen? Wer ist denn noch da?«
»Clay, Alyssa und Alec.« Sie sah Daphne fest in die Augen. »Sie sind auf dem Heimweg vom Büro hier vorbeigekommen. Aber ich weiß, dass Clay dich unbedingt zuerst sprechen muss.« Sie zögerte. »Wenn du wütend auf ihn bist, sag ich ihm, dass du endlich eingeschlafen bist. Er hat ganz schön Schiss, dir gegenüberzutreten.«
»Sag ihm, dass ich gleich runterkomme. Ich mach mich nur ein bisschen frisch.«
Paige verließ mit den Hunden das Zimmer, und Daphne nahm das Handy und blickte auf Josephs SMS.
Was hat er wohl getan, als man ihm
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