Todeskind: Thriller (German Edition)
bitten müssen«, sagte Paige. »Ich habe sie kennengelernt, Clay. Es sind wirklich nette Leute. Sie wollen dir einfach nur danken.«
»Würdest du dich darauf einlassen?«
»Wenn man in Betracht zieht, wie lange du Stevie schon anhimmelst, ohne dass irgendwas passiert? Und ob. Du und Joseph – oh, Herr im Himmel! Zwei von einem Schlag. Aber ich muss jetzt wieder auflegen. Ich bespreche mich mit Bruder Joseph in … Mist, vor zwei Minuten. Ich bin zu spät. Bis dann. Und viel Glück.«
Sie legte auf, und Clay starrte auf das Telefon in seiner Hand, bis er gegen die Tür prallte, weil Alyssa abrupt drei Spuren nach rechts überwechselte, um zur Ausfahrt zu gelangen. »Hey, geht’s noch? Was machst du denn?«
»Zum Krankenhaus fahren«, sagte Alysssa. »Ich gehe davon aus, dass du dort zuerst hinwillst.«
Er sah sie stirnrunzelnd an. »Du konntest Paige durchs Telefon hören?«
»Nö. Du hast ›Ich danke dir‹ im Gebetstonfall gesagt, und das bezog sich nicht auf Ford, denn gleich danach hast du Stevie erwähnt. Außerdem wirst du gerade rot. Wie niedlich.«
»Ich werde überhaupt nicht rot!«, grollte Clay. Leider fühlte sein Gesicht sich an, als stünde es in Flammen, was es vermutlich auch tat.
»Wenn ich dich früher beim Schmusen mit Lou erwischt habe, hast du auch immer eine derart rote Birne bekommen«, neckte Alyssa ihn genüsslich. »Meine Schwester«, fügte sie an Alec gewandt hinzu. »Sie und Clay waren eine Weile verlobt.«
»He, Moment mal«, sagte Alec. »Du meinst doch nicht etwa Sheriff Lou Moore draußen in Wire’s Landing?«
»Doch. Du kennst meine Schwester?«
»Ich habe sie einmal getroffen«, sagte Alec. »Nur dieses eine Mal in … na ja, in jenem Sommer.«
In jenem Sommer sechs Jahre zuvor, als Alec von einer gewalttätigen, gestörten Frau entführt worden war. Ach du Schande. »Das hatte ich vergessen«, gestand Clay. »Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass ich derjenige war, der dich gefunden hat.« Alec war zwölf gewesen und hatte gefesselt, geknebelt und betäubt unter einem Bett in einem schmierigen Hotelzimmer gesteckt. »Aber ich sehe dich einfach nicht mehr als diesen kleinen, hilflosen Jungen.«
»Das freut mich durchaus«, erwiderte Alec. »Denn ich sehe mich auch nicht mehr so.«
»Und ist das hier für dich soweit okay? Keine posttraumatischen Belastungsstörungen oder so etwas?«
»Wenn du mich gerade fragst, ob ich mit dem Fall umgehen kann, ohne zusammenzubrechen – ja.« Alecs Blick schien sich nach innen zu verlagern, und einen Moment lang sah Clay wieder den in sich gekehrten Jungen, der er damals gewesen war. »Ob es mir leichtfällt, damit umzugehen? Oh nein. Als ich Daphne sah, konnte ich nur daran denken, was für eine Angst meine Mutter gehabt haben muss. Aber ich hatte Glück. Die Schlampe, die mich verschleppt hat, hatte einen ›großen Plan‹, daher hat sie mir nichts angetan. Sie hat mich nur unter Drogen gesetzt, damit ich ihr keinen Ärger machen konnte. Ich hoffe bloß, dass die Millhouses ebenfalls einen ›großen Plan‹ haben. Dadurch bekommen wir Zeit, ihn zu finden. Falls nicht …« Er zuckte die Achseln. »Dann wird es hart. Für uns alle.«
»Ja. Also lass uns lieber auf den großen Plan hoffen«, stieß Clay grimmig hervor.
Alyssa bog auf den Parkplatz des Krankenhauses ein. »Pass auf dich auf. Und ruf an, wenn du uns brauchst.«
»Auf jeden Fall.«
Clay stieg aus.
Eine volle Minute stand er vor der Glastür des Krankenhauses, ohne sich dazu durchringen zu können, endlich einzutreten. Er hatte schon mehrere Versuche gemacht, sich Stevie zu nähern, aber sie hatte noch zu sehr um ihren Mann und ihren Sohn getrauert, um sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Vielleicht hat ihr die Nähe zum Tod gezeigt, wie wertvoll Zeit in Wirklichkeit ist.
Oder auch nicht. Jedenfalls würde er nun die Eltern treffen und lächeln und so tun, als sei er nicht liebeskrank wie ein Köter, der vor dem Garten seiner Angebeteten winselte.
9. Kapitel
Dienstag, 3. Dezember, 16.15 Uhr
Joseph hatte den Verhörraum verlassen und war zusammen mit Bo und Grayson zu einer Konferenzschaltung mit Daphne, Paige und Rivera in einen Besprechungsraum gegangen.
Vom ersten Augenblick an war es Daphnes Meeting gewesen. Sie hatte es mit den würdevollen Worten eingeleitet: »Niemand hat mehr zu verlieren als ich. Aber es kennt auch niemand den Millhouse-Fall besser als ich. Ich möchte helfen, meinen Sohn zu finden.«
Anschließend hatte sie ihre
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