Todeskind: Thriller (German Edition)
angetan hat, umzulegen. Rache für Reggies ärgerliche Haft. Dummerweise hat Marina auch das verbockt. Na, wie mache ich mich?«
»Sie können mich mal«, grollte Millhouse.
Joseph ging nicht darauf ein. »Ich glaube, Sie haben draußen herumgelungert, weil Sie vorhatten, Marina aufzusammeln, sobald sie Montgomery erschossen hätte. Und als Sie nicht pünktlich auftauchten, hat sie die Sache einfach selbst in die Hand genommen.«
Millhouse’ Miene veränderte sich. Wurde weicher.
Stolz, dachte Joseph. Zuneigung? Zärtlichkeit? Liebe?
»Aber da ist ein Detail, das ich nicht unterbringen kann. Was für einen Sinn macht die Entführung von Montgomerys Sohn?«
Millhouse hob den Kopf und blickte Joseph mit zusammengekniffenen Augen an, dann legte er sich wortlos wieder hin. Plötzlich hatte Joseph das Gefühl, als sei einem von ihnen beiden etwas entgangen.
Millhouse weiß nichts von Ford, schoss es Joseph plötzlich durch den Sinn. Seine Gedanken begannen zu rasen und formierten sich zu einer Theorie. Wenn Millhouse ihn nicht entführt hat, wer dann? Und wieso?
Wieder musste er an die zehn Sturmgewehre in Bills Kofferraum denken. Es musste Komplizen geben. Was, wenn diese Komplizen den Irrsinn in Bills Plan erkannt hatten?
Was, wenn sie ihren eigenen Plan umgesetzt hatten? Einen präventiven Gegenschlag sozusagen?
Aber selbst, wenn das nicht stimmte – konnte er Millhouse vielleicht davon überzeugen, dass sie es getan hatten? Sein Ziel war es gewesen, das Gespräch – wenn man es bisher so nennen konnte – auf Ford zu lenken. Vielleicht hatte einer seiner Anhänger Ford gekidnappt. Warum er das hätte tun sollen, wusste Joseph auch nicht, aber vielleicht hatte Bill ja eine Idee.
»Ich fand immer«, begann er erneut, »dass ein Misstrauensvotum für einen Anführer das Schlimmste sein muss. Ein Politiker verschwindet dadurch in die Bedeutungslosigkeit – kein Amt, keine Macht. Keine Statue auf der Hauptstraße. Für einen militärischen Anführer wie Sie bedeutet das jedoch Anarchie. Die Truppen vor dem Gericht nicht hinter sich zu wissen muss schwer zu verdauen gewesen sein. Aber zu erfahren, dass sie Ihnen schon im Vorfeld so sehr misstraut haben, dass sie einen eigenen Plan B konstruiert haben? Dass sie Sie in Frage gestellt haben, bevor Sie sich überhaupt beweisen konnten? Autsch, wie demütigend. Ich wäre mächtig sauer, wenn ich Sie wäre.«
»Sind Sie aber nicht«, presste Millhouse hervor.
»Stimmt. Ich sitze auf einem Stuhl und trage Armani, Sie liegen in einem hässlichen orangefarbigen Overall auf dem Boden. Ihnen steht ein langer Aufenthalt im Hotel Bück-dich-nicht bevor, ich gehe in mein kuscheliges warmes Bett. Allein deswegen bin ich heilfroh, nicht Sie zu sein. Aber der größte Unterschied zwischen uns ist die Tatsache, dass meine Leute an mich glauben, Ihre nicht.«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden«, murmelte Millhouse.
»Nein, das wissen Sie wirklich nicht, nicht wahr? Und es macht Sie wahnsinnig, aber Sie wollen mich natürlich unter keinen Umständen fragen.« Josephs Telefon summte dreimal in rascher Folge. Ein Blick aufs Display zeigte ihm drei Nachrichten an – Grayson, Daphne und Hector Rivera –, die kurz hintereinander geschickt worden waren. Alle sagten, er solle das Verhör unterbrechen, weil es neue Informationen gab. »Wir sehen uns später, Bill. Soll ich Cindy und George schöne Grüße bestellen?«
Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Bill mit den Zähnen knirschte – er konnte es förmlich hören. Joseph wies die Polizisten an, Bill wieder auf den Stuhl zu setzen, und ging, um herauszufinden, was geschehen war.
Dienstag, 3. Dezember, 16.10 Uhr
Alyssa war freundlicherweise still, als sie sie zurück ins Büro fuhren, so dass Clay in Frieden seine Wunden lecken konnte. Er saß auf dem Beifahrersitz und blickte voller Sorge in den Himmel. Es würde noch mehr Schnee geben. Und irgendwo da draußen ist Ford.
Clay war nie ein Chef gewesen, der auf Bürokratie und Papierkram pochte. Er hatte immer gute Leute gehabt, die ihren Job korrekt erledigten. Bis auf Nicki. Und jetzt Tuzak. Entweder muss ich mir ein anderes Geschäftsfeld suchen oder zu einem peniblen Erbsenzähler werden.
Nichts davon gefiel ihm. Gott. Was ist, wenn Ford stirbt? Wie soll Daphne das überleben? Und ich?
Hinter ihm stieß Alec Vaughn einen ungeduldigen Laut aus. »Der Geruch von den Zimtwecken macht mich wahnsinnig. Wenn kein anderer was will, dann gebt mir doch mal den
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