Todeskleid: Thriller (German Edition)
Wir könnten … reiten gehen. Was hältst du davon?«
Sie sah ihn zweifelnd an. »Wirklich?«
»Na klar. Da, wo wir unseren Urlaub verbringen werden, gibt es überall Pferde.« Was den Urlaub anging, log er, doch das mit den Pferden stimmte. Seine Hütte befand sich in der Nähe einer Ranch. Wenigstens musste er nicht ständig lügen. »Das wird bestimmt toll.«
»Aber wenn wir in Urlaub fahren, wieso musst du dann jetzt weg? Wir sind doch gerade erst gekommen.«
»Papa muss erst noch ein paar Dinge erledigen. Ich brauche nicht lange.« Er kitzelte sie, und sie kicherte. Dann schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. »Sei brav.«
»Ich versuch’s.«
Er musste schlucken. »Es gibt keine Versuche.«
»Nur tun«, sagte sie pflichtbewusst, dann küsste sie seine Wange. »Ich hab dich lieb, Papa.«
Er hielt sie fest in seinen Armen, während er sich fragte, wie lange Jorge Delgado sich wohl an seine Tochter geklammert hatte, bevor seine Frau und sie weggefahren waren. »Ich hab dich auch lieb. Für immer und ewig.« Er stand auf und küsste seine Frau zum Abschied. »Vergiss nicht, was ich gesagt habe.« Er hatte ihr erklärt, wo er seinen Vorrat an Bargeld verwahrte. Und wo sie sich verstecken sollten, falls er nicht zurückkäme.
In ihren Augen stand Angst. »Nein, werde ich nicht. Pass auf dich auf. Und komm zu mir zurück.«
»Mach ich.« Er würde auf sich aufpassen. Ob er nun zu ihr zurückkam oder nicht.
Er ging hinaus zu seinem Wagen und erlaubte sich einen letzten Blick zurück auf das Hotel. Sie waren in Sicherheit. Das gab ihm genug Kraft, die lange Strecke bis nach Hause in Angriff zu nehmen.
Baltimore, Maryland, Mittwoch, 6. April, 14.30 Uhr
»Das ist seltsam«, sagte Paige und blinzelte den Computerbildschirm an. Grayson und sie hatten ihre Schaltzentrale auf dem Wohnzimmertisch seines Stadthauses eingerichtet. Hier gab es Platz zum Arbeiten und einen sicheren Internetzugang. Und leckere Kleinigkeiten zu essen.
Als sie angekommen waren, hatten sie festgestellt, dass sein Kühlschrank vollgepackt war mit Köstlichkeiten aus Lisas und Brians Küche, »Reste« der Party, die sie am Abend zuvor ausgerichtet hatten. Paige war am Morgen zu nervös gewesen, um an Essen auch nur zu denken, doch inzwischen war ihr Appetit mit aller Macht zurückgekehrt, und ihr Arbeitsplatz an Graysons Tisch war schon jetzt mit Schüsseln und Tellern vollgestellt. Der Monitor, auf den sie starrte, war riesig. Sie hatten ihn aus Graysons Arbeitszimmer geholt, damit sie nackte, verwöhnte höhere Töchter und Söhne beobachten konnte, die in Rex McClouds Swimmingpool allerlei lustige Dinge trieben.
Grayson hatte Akten im Halbkreis um sich herum ausgebreitet und telefonierte seine alte Zeugenliste ab, während sie das Filmmaterial durchging und versuchte, die Gesichter Fotos aus Boulevardpresse und Facebook-Alben zuzuordnen und dadurch zu identifizieren. Auch in der polizeilichen Verbrecherkartei fanden sich einige.
Sie waren eine wilde Meute gewesen, Rex McCloud und seine Clique. In den vergangenen sechs Jahren waren sie in mehr Schwierigkeiten geraten, als Paige je für möglich gehalten hätte. Interessanterweise hatte aber keiner längere Zeit gesessen. Da spricht das Geld.
Das im Augenblick auch überall um sie herum zu sprechen schien. Das Geschirr, von dem sie Brians Käsemakkaroni gegessen hatten, war antikes Wedgwood, die gesamte Einrichtung zeugte von gutem und exklusivem Geschmack. Alles in diesem Haus verwies auf eine tadellose Herkunft und machte Paige weit neugieriger auf Grayson als die wilde Poolparty auf die nackten Beteiligten.
Dummerweise waren die nackten Beteiligten möglicherweise der Schlüssel zu ihrem Überleben. Und eine dieser Beteiligten weckte nun ihre Aufmerksamkeit. »Mit dem Video stimmt etwas nicht.«
Er blickte von seinen Unterlagen auf. »Was? Abgesehen davon, dass es sich um üble Pornographie handelt?«
»Diese Frau hier, Betsy Malone. Komm, sieh dir an, was ich meine.«
Grayson stand auf und verzog schmerzhaft das Gesicht, als er sich streckte, dann kam er mit grimmiger Miene um den Tisch herum und blieb viel zu dicht neben ihr stehen. Er senkte den Kopf, bis sein Kinn gegen ihre Schläfe rieb, und atmete tief ein. Einen Augenblick verharrten sie so, und das Knistern zwischen ihnen wurde fast greifbar. Er hatte Lust auf sie. Sie hatte Lust auf ihn. Ein Weilchen gab sie sich ihren Phantasien hin.
Ich will keine feste Beziehung.
Abrupt rückte sie von ihm
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