Todeskleid: Thriller (German Edition)
nervösen Blick. »Dann gehe ich … schon mal rein.«
»Es wartet jemand auf Sie. Holly hat so lange gequengelt, bis ich nicht mehr nein sagen konnte. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie.«
Seine Mutter war eine Göttin, fand Grayson. Sie half ihm nicht nur aus einer brenzligen Situation, sondern hatte auch im Vorfeld für eine Atmosphäre gesorgt, die Paige entspannen würde.
»Absolut«, antwortete Paige, der die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand. »Ich gehe zu ihr.«
Er wartete, bis sie außer Sicht war. »Danke«, sagte er.
»Oh-oh«, bemerkte seine Mutter ohne Umschweife. »Sie ist sehr hübsch.«
Er stieß den Atem aus. »Das ist sie, ja.«
Ihre Miene wurde ernst. »Ich dachte, es sei gut, wenn Holly bei mir ist, während du mit der Familie sprichst.«
»Das ist eine gute Idee. Dann können sie selbst entscheiden, wie viel sie ihr erzählen wollen. Wie sie es ihr beibringen. Und wann.«
»Eigentlich sollte ich jetzt bei dir sein. Ich bin schuld an dieser Situation.«
Er packte sie an beiden Schultern und drückte sie leicht. »Du bist ›schuld‹, dass wir leben und etwas aus uns geworden ist. Du hast uns nur beschützt. Mich beschützt. Und glaub nicht, dass auch nur ein Tag verstreicht, ohne dass ich dir im Stillen dafür danke, auch wenn ich es zu selten ausspreche.«
Sie atmete zitternd ein. Ihre Augen glitzerten. »Ich darf jetzt nicht heulen. Meine Wimperntusche ist nicht wasserfest.«
Er gab ihr ein Taschentuch und sah zu, wie sie ihre Augenwinkel tupfte. »Was ich jetzt tue … was ich erzählen will, wird alles verändern.«
»Ja, ich weiß«, sagte sie. »Ich habe dir gestern noch gesagt, du sollst keine Angst haben, aber nun, da der Augenblick gekommen ist … habe ich selbst höllische Angst. Sag Katherine, wenn sie möchte, werde ich ausziehen. Ich habe mich jeden einzelnen Tag dafür geschämt, sie belogen zu haben.«
Er kannte das Gefühl. Dennoch schüttelte er den Kopf. »Sie liebt dich wie eine Schwester. Sie wird dich bestimmt nicht vor die Tür setzen. Die Wohnung ist seit gut dreißig Jahren dein Zuhause. Katherine wäre bestimmt erbost, wenn sie wüsste, dass du ihr so etwas zutraust.«
»Ich weiß. Aber ich musste es einfach aussprechen. Und wenn hier jemand erbost ist, dann bin ich es.« Zorn blitzte in ihren Augen auf. »Dieser Mistkerl von deinem Chef sollte sich am besten verstecken! Meinen Sohn zu erpressen! Ausgerechnet!«
»Tja, und es geht nicht nur um uns«, sagte er. »Er wusste auch andere Dinge. Und wenn ich ihm das beweisen kann, wird er nie wieder in seinem Beruf arbeiten.« Hoffentlich kriegt er überhaupt keinen Job mehr. Höchstens in der Knastwäscherei.
»Dann beweis es ihm. Dieser Hurensohn!«, murmelte sie.
»Mom. Was ist das denn für eine Ausdrucksweise!« Er küsste sie auf die Wange. »Jetzt geh. Ich rufe dich an und sage dir, wie es gelaufen ist. Guten Appetit. Und setzt euch nicht ans Fenster.«
»Ich habe bereits um einen Tisch gebeten, wo deine Paige sicher ist. Bitte pass auf dich auf, Grayson.«
Mittwoch, 6. April, 20.01 Uhr
Paige wurde an einen Tisch geführt, an dem bereits Holly saß und ihr entgegensah. Sie wirkte beunruhigt.
»Hi, Holly.« Paige setzte sich neben sie und legte ihre Hand auf die des Mädchens. »Was ist los?«
»Ich bin so froh, dass du hier bist«, sagte Holly eindringlich. Sie blickte sich um. »Wo ist Judy?«
»Draußen. Sie spricht mit Grayson. Aber vielleicht magst du mir ja schon mal sagen, worum es geht?«
»Na ja, du hast doch gestern gesagt, du könntest mir was beibringen. Karate, weißt du noch?«
»Ja.« Paige beugte sich vor. »Was ist passiert?«
»Ich muss das unbedingt lernen. Ganz schnell.«
»Belästigt dich jemand?«, fragte Paige leise.
Holly nickte. »Da sind so Jungs.«
Ein kalter Schauder lief Paige über den Rücken. Frauen wie Holly waren noch verwundbarer als alle anderen. »Wo?« Sie gab sich Mühe, unaufgeregt zu sprechen. »Was für Jungs?«
»In meinem Zentrum. Ich gehe immer nach der Arbeit hin, weil da meine Freunde sind. Gestern Abend war ich auch da.«
»Und diese Jungs gehen ebenfalls dorthin?«
»Ja. Die sind doof«, sagte sie wütend.
»Haben sie dir was getan?«, fragte Paige, und ihr wurde schwer ums Herz, als sie sah, wie Hollys Blick hohl wurde.
»Die schubsen mich immer. Und pieken mich. Und manchmal grapschen sie, weißt du, was ich meine?«
»Du weißt über Sex Bescheid, nicht wahr?«, fragte Paige, und Holly wurde rot.
»Ja, aber das
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