Todeskleid: Thriller (German Edition)
war. Hier saß eine typische Löwenmutter, die ihr Junges verteidigen würde, was auch immer geschah.
Paige mochte sie jetzt schon.
»Wir müssen verhindern, dass diese Jungen weiterhin ins Zentrum kommen dürfen.«
»Das ist sicher ein Anfang«, sagte Paige. »Aber es wird immer welche geben, die Holly zu schikanieren versuchen – wo immer sie auch hingeht. Denken Sie nicht, es wäre besser, sie darauf vorzubereiten, selbst solchen Gefahren entgegenzutreten?«
Judy nickte, und einen Moment lang ging ihr Blick ins Leere. Dann kehrte sie mit einem sichtbaren Ruck in die Gegenwart zurück. »Also, Mädels, wie gehen wir es an?«
Holly hob trotzig das Kinn, als erwarte sie Widerspruch. »Paige bringt mir Karate bei. Mir und meinen Freundinnen. Das war meine Idee. Dann können wir die Jungs verhauen, die uns ärgern.«
»Selbstverteidigung über Karate«, erklärte Paige. »Wahrscheinlich wirst du nie in der Lage sein, einen Jungen wirklich zu verhauen, denn sie sind meistens stärker. Aber ihr lernt Körperbeherrschung und Beweglichkeit und Möglichkeiten, zu entkommen, was immer die beste Verteidigung ist.«
Holly runzelte die Stirn. »Können wir trotzdem die Anzüge tragen?«
Paige grinste. »Einen gi? Na klar. Ihr könnt auch Prüfungen für die Gurte machen. Aber ihr dürft nie vergessen, dass es bei Karate um die Defensive geht, und nicht darum, Leute zu verprügeln. Selbst dann nicht, wenn sie es vielleicht verdient haben.«
Judy legte sich die Serviette auf den Schoß. »Das mit dem Selbstverteidigungskurs ist eine gute Idee von dir, Holly. Sehr klug.«
Holly strahlte. »Danke.«
»Vielleicht komme ich ja auch dazu«, fuhr Judy fort. »Falls Paige auch alten Mädchen noch ein paar Tricks beibringen kann.«
Paige betrachtete sie einen Moment. »Das tue ich nur allzu gerne, aber wie mir scheint, haben Sie sich auch allein ziemlich großartig geschlagen. All die vielen Jahre über.«
Judy blickte sie schockiert an, und Paige konnte sehen, dass sie begriff. Doch die ältere Frau fasste sich bewundernswert schnell. »Ich möchte aber trotzdem einen gi anziehen.« Sie schlug die Karte auf und runzelte die Stirn. »Ich habe meine Lesebrille im Auto vergessen. Holly, könntest du so lieb sein und sie mir holen?« Sie suchte in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln. »Du weißt doch noch, wo wir geparkt haben, oder?«
»Klar. Bin gleich wieder da.«
Judy wartete, bis Holly außer Hörweite war, dann wandte sie sich an Paige. Und plötzlich war die liebenswürdige Dame zu einer knallharten Amazone geworden. »Sie haben ungefähr drei Minuten, Paige. Reden Sie.«
»Ich weiß, was Ihnen und Grayson damals in Miami zugestoßen ist. Es war nicht schwer herauszufinden.«
»Aber wieso?« Die Frage klang gequält und ungläubig. »Ich habe doch alle Spuren verwischt.«
»Menschen lassen immer irgendeine Spur zurück, Judy. In Ihrem Fall war es ein Foto, das auf einem Regal in Graysons Arbeitszimmer steht. Er ist darauf ungefähr sieben, und Sie stehen mit ihm vor der katholischen Schule St.Ignatius. Damit war die Suche einfach. Sie hat mich keine Stunde Zeit gekostet.«
»Ich wusste nicht, dass er das Bild noch hat«, murmelte sie. »Dummer Junge.«
»Ich würde sagen, es war ein Augenblick, den er niemals vergessen will. Seine Mutter, als sie noch glücklich war. Und keine Angst haben musste.«
Der Schmerz ließ ihr Gesicht verkniffen wirken. »Was haben Sie jetzt vor?«
»Das war es, was Sie mir nicht erzählen sollten, richtig?«
Verärgerung mischte sich in den Schmerz. »Was haben Sie jetzt vor?«, wiederholte sie.
»Ich werde nichts sagen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass es Ihren Sohn daran hindert, Bindungen einzugehen. Emotionaler Natur.«
Ihre Augen verengten sich. »Und Sie wollen eine solche Bindung? Emotionaler Natur?«
»Ja, Judy«, antwortete Paige eindringlich. »Ich wünsche mir, mit jemandem alt zu werden, der für mich der Richtige ist. Vielleicht ist Ihr Sohn das gar nicht, aber sein Geheimnis hindert mich daran, herauszufinden, ob er es sein könnte. «
Judy lehnte sich nachdenklich zurück. »Und Sie behalten es für sich?«
»Ja. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
Judy trommelte mit ihren manikürten Fingern auf den Tisch. »Sein Chef weiß es. Dieser Anderson.«
Paige blieb der Mund offen stehen. »Was?« Ihr fiel wieder ein, wie still Anderson gewesen war, als sie ihre Geschichte erzählt hatte. Wie er sie fortgeschickt hatte, weil
Weitere Kostenlose Bücher