Todeskleid: Thriller (German Edition)
durcheinander. Das wäre wohl jeder.«
»Du hättest dabei draufgehen können!« Seine Stimme klang heiser, und sie wusste, dass er wieder vor sich sah, wie er die Leiche seiner ehemaligen Partnerin gefunden hatte.
»Bin ich aber nicht. Und sollte ich wohl auch nicht. Der Schütze hat abgedrückt, als ich mich umgedreht habe, um nach Peabody zu sehen. Eine Sekunde vorher habe ich mich noch über Elena gebeugt.«
Er riss die Augen auf. »Du meinst, er hat abgewartet, dass du dich aus der Schusslinie bewegst?«
»Ja, genau das meine ich.« Sie spürte die Wärme der Tasse an ihren kalten Fingern und sah erneut aus dem Fenster. »Die Leute von der Rechtsmedizin nehmen sie endlich mit. Wurde auch Zeit.«
»Der Tatort war ziemlich chaotisch«, sagte Clay. »Sie mussten sehr sorgfältig sein.«
»›Chaotisch‹ trifft es allerdings.«
»Falls du dir Sorgen wegen der Videos machst, das brauchst du nicht. Ein, zwei Tage bist du der Star, dann geht irgendein Sternchen in eine Entzugsklinik, und du bist wieder vergessen.«
»Darum geht es mir nicht«, erwiderte sie ruhig.
Clay musterte sie einen Moment lang mit durchdringendem Blick. »Also, kommen wir auf den Punkt. Du hast der Polizei erzählt, sie habe dich lediglich angefleht, ihr zu helfen. Warum hast du gelogen?«
Paige zog ihr Handy aus der Tasche und legte es aufs Fensterbrett. Irgendwann war ihre Verbindung mit Clay abgerissen, doch sie hatte keine Ahnung, wann. »Wie viel hast du gehört?«, fragte sie daher.
»Fast gar nichts. Ihre Stimme war zu schwach. Du hast sie gefragt, wer das getan hat. Was hat sie geantwortet?«
Paige strich mit den Fingern über die Tasche und tastete nach dem USB-Stick. Dann trat sie abrupt von den Jalousien zurück und begegnete seinem Blick. »Cops. Jagen mich.«
Er zog die Brauen zusammen. »Ein Cop hat sie erschossen?«
»Nein. Sie hat gesagt, die Polizei sei hinter ihr her. Erst dachte ich, der Schütze und ihr Verfolger seien ein und dieselbe Person, aber dann kam der Rettungswagen und plötzlich aus dem Nichts ein weiterer Schuss.«
»Derselbe Schütze?«, fragte Clay. Paige zuckte die Achseln.
»Ich weiß es nicht. Eigentlich hätte der Schütze noch ganz in der Nähe sein müssen, da Elena mit derart starken Verletzungen nicht weit gekommen sein konnte.« Sie hielt inne, um nachzudenken. »Es war vielleicht derselbe Schütze, aber nicht dieselbe Waffe. Die Eintrittswunden in ihrem Oberkörper sind größer als bei dem letzten Schuss in den Kopf. Die Austrittswunden dagegen waren im ersten Fall … kleiner.«
»Ich vermute, dass der tödliche Schuss von einem Hochgeschwindigkeitsgewehr stammt. Die Cops sind sofort auf die Dächer gestiegen und haben dort nach Spuren gesucht. Sie sind ziemlich beunruhigt. Ich habe vorhin ein paar Leute spekulieren hören, ob wir es erneut mit einem Serientäter zu tun haben.«
Paige runzelte die Stirn und verstand zuerst nicht, doch dann fiel es ihr wieder ein. »Der Heckenschütze von Washington. Aber das ist Jahre her.«
»Zehn, um genau zu sein«, sagte Clay. »Aber für die, die es miterlebt haben, scheint es erst gestern passiert zu sein. Du kannst dir sicher sein, dass das in der Gegend ziemlich viel Panik auslösen wird.«
»Aber Elena war kein zufälliges Opfer«, beharrte Paige. Sie setzte sich an ihren Tisch, holte einen Latexhandschuh aus der Schublade, zog ihn sich über, fischte den USB-Stick aus ihrer Tasche und hielt ihn Clay auf der Handfläche hin. Er war blutverklebt.
»Du lieber Himmel, Paige«, flüsterte Clay und riss entsetzt die Augen auf. »Was ist denn das?«
»Elenas Speicherstick«, antwortete sie. »Sie hat ihn mir in die Hand gedrückt, bevor sie gestorben ist. Ich musste ihr versprechen, nichts der Polizei zu sagen.«
»Na und? Das sind wichtige Beweise. Die kannst du doch nicht einfach unterschlagen.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Als würdest du immer sofort zu den Cops rennen und ihnen in die Hand drücken, was du gefunden hast! Du vertraust der Polizei doch selbst nicht wesentlich mehr, als Elena es getan hat.«
Damit hatte Paige ins Schwarze getroffen: Clays Gesicht verfärbte sich rot. Er hatte gewusst, wer seine Partnerin umgebracht hatte, aber er hatte die Informationen aus einer ganzen Reihe von Gründen zurückgehalten, während er auf eigene Faust weiterermittelt hatte – und seine eigenen Rachegelüste hatte auf der Liste nicht unbedingt zuunterst gestanden.
»Verdammt«, murmelte er. »Das heißt ja nicht, dass es auch in
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