Todeskleid: Thriller (German Edition)
keine Rolle mehr. Wenn dieser Cop, diese eine Person, die Bescheid wusste, das Bild fand, dann würde sie es ihm zurückgeben. Sie wusste, wie viel ihm das Foto bedeutete.
Er legte sich wieder zurück und schloss die Augen. Er musste schlafen, um morgen früh hellwach zu sein, wenn er hoffentlich zum letzten Mal den Abzug drücken würde. Und falls sein Auftraggeber im Falle seines Ablebens der Öffentlichkeit belastendes Material zukommen lassen würde, dann war das eben auch so.
Natürlich würden die anderen »Mitarbeiter« ziemlich sauer sein, da vermutlich auch sie bloßgestellt werden würden, aber das war ihr Problem. Silas musste einfach noch etwas länger überleben.
Donnerstag, 7. April, 2.25 Uhr
»Hmm.« Paige schmiegte sich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter, ihre Hand ruhte auf seinem Bauch. Sie lagen in seinem Bett, und er schien sie nicht loslassen zu können. Sie waren frisch geduscht, und er war in der Dusche erneut über sie hergefallen.
Dabei war das gar nicht seine Absicht gewesen. Er hatte sich zu ihr unter den warmen Wasserstrahl gesellt, nachdem er den Hund in den Garten gelassen und anschließend das Haus abgeschlossen hatte. Niemals zuvor war es ihm so wichtig vorgekommen, die Alarmanlage einzuschalten, aber nun ging es um ihre Sicherheit. Sie gehört zu mir. Er hatte vorgehabt, sich frisch zu machen, und es ihr dann zu erzählen. Ihr alles zu erzählen.
Aber er war nicht darauf vorbereitet gewesen, was ihr Anblick in ihm auslösen würde. Er hatte sie geküsst, aber er konnte sie offenbar nicht küssen, ohne sie sofort wieder haben zu wollen. Wieder hatte sie ihn angefleht, sie zu nehmen, und er hatte die Beherrschung verloren. Er hatte sie zweimal zum Höhepunkt gebracht, dann war auch er gekommen. Heftig. In ihr. Ohne Kondom.
So etwas hatte er noch nie getan. Er war bisher immer vorsichtig gewesen. Hatte nie die Kontrolle verloren, sich nie vollkommen hingegeben. Weil er immer gewusst hatte, dass keine der Frauen bleiben würde.
Aber sie … Sie schmiegte sich an ihn, vertraute ihm. Ich will sie behalten. Ich muss es ihr sagen. Sofort. Bevor sich die Dinge noch weiterentwickelten. Bevor er sich erneut über sie hermachte und wieder die Kontrolle verlor. Und sie womöglich schwängerte.
Sein Herz zog sich so fest zusammen, dass es ihm in der Brust schmerzte. Sie hob den Kopf und sah ihn an. Ihr Blick wurde besorgt. »Was ist denn?«
»Ich …« Muss es dir sagen. Aber die Angst kam zurück, deshalb stieß er hervor, was ihm als Erstes in den Sinn kam. »Wir haben nicht aufgepasst.«
Sie biss sich auf die Lippe. »Ich weiß. Aber im Augenblick ist in meinem Zyklus ohnehin die falsche Zeit für eine Schwangerschaft.«
Er blinzelte, verblüfft, dass er Enttäuschung empfand. Die falsche Zeit. Plötzlich wünschte er sich innig, es wäre die richtige Zeit gewesen.
»Ich bin … Es ist so, dass …« Er schloss die Augen, unfähig, die richtigen Worte zu finden. Er verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er zwingende Argumente vorbrachte und Menschen überzeugte, aber im Augenblick kam er sich eingeschüchtert vor wie ein kleiner Junge.
Wie der kleine Junge, der er gewesen war.
Sie küsste ihm die Stirn, direkt unter dem Verband. »Was ist los, Grayson?«
»Ich muss es dir sagen.« Er musste die Worte förmlich herauspressen. »Du sollst es wissen.«
Sie verharrte still, wappnete sich gegen das, was nun kommen würde.
»Vielleicht möchtest du gehen, wenn ich es dir gesagt habe; ich würde es verstehen. Aber versprich mir, dass du es für dich behältst.«
»Das verspreche ich«, sagte sie feierlich, und er glaubte ihr.
Er nickte, überlegte, wie er beginnen sollte. Dann zuckte er die Achseln. »Es war einmal ein kleiner Junge in Miami. Sein Name war nicht Grayson Smith.«
Ihr Blick veränderte sich, aber sie schwieg, also fuhr er fort: »Der Junge hatte eine Mutter. Eine großartige Mutter.«
»Judy.«
»Ja. Aber auch ihr Name war ein anderer. Der Junge hatte einen Vater, den er damals ebenfalls für großartig hielt. Bis Mutter und Sohn eines Tages herausfanden, dass er das überhaupt nicht war.« Er holte noch einmal tief Luft, dann sprang er ins kalte Wasser. »Mein Name ist Antonio Sabatero junior. Ich bin nach meinem Vater benannt worden, der vierzehn junge Frauen gefoltert, vergewaltigt und anschließend ermordet hat. Die meisten der Frauen waren noch Studentinnen. Einige waren sogar jünger. Als wir es endlich herausfanden, mordete er schon seit
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