Todeskleid: Thriller (German Edition)
»Ford hatte bereits von der Sache mit dem Heckenschützen gehört. Er macht sich Sorgen, weil er weiß, dass ich manchmal diesen Weg zur Arbeit nehme.«
Grayson blinzelte erstaunt. »Er wusste schon davon? Er ist doch in Europa!«
»Ein Freund von ihm hat die Sache via Twitter verbreitet. Die Videos waren schon längst online. Eines zeigt übrigens das Gesicht des Opfers, als es erschossen wird.« Ihre Stimme zitterte plötzlich. »Das Schwein, das den Film ins Netz gestellt hat, hat auch den Namen der Toten verraten. Es war Elena Muñoz.« Sie begegnete seinem Blick und seufzte. »Du weißt das alles schon?«
»Ja. Nicht viel mehr als das, aber den Rest werde ich schon noch herausfinden.«
»Sie war erst letzte Woche hier. Ich habe sie in dein Büro gehen sehen. Was wollte sie?«
»Sie wollte, dass das Verfahren gegen ihren Mann neu aufgerollt wird. Er wurde wegen Mordes verurteilt.«
»Ich kann mich an den Fall erinnern. Damals war ich zwar noch auf der Uni, aber ich habe davon gelesen. Was hast du ihr gesagt?«
»Ich habe gesagt, es gäbe nichts, was ein neues Verfahren rechtfertige. Wir hätten keine neuen Beweise.« Er atmete tief aus. »Und jetzt ist sie tot. Ich muss mir ein paar Antworten verschaffen. Meinst du, du könntest mir Anderson noch ein Weilchen vom Hals halten? Er will ja doch bloß, dass ich mit Willis einen Deal mache.«
Daphne zog eine Braue hoch. »Franklin Willis hat wegen hundert Dollar in einer Kasse zwei Frauen abgeknallt. Das haben wir sogar auf dem Überwachungsband. Wieso solltest du dich auf einen Handel einlassen?«
»Weil die Verteidigung behauptet, die Polizei habe die Waffe bei einer rechtswidrigen Suche gefunden, außerdem sei die Aufnahme zu körnig. Ich will nach einer Möglichkeit suchen, den Deal zu umgehen, aber dazu brauche ich Zeit.«
»Moment. Ford war nicht der Einzige, der mich besorgt angerufen hat.«
Etwas in ihrem Tonfall verriet ihm, wer sich noch gemeldet hatte. »Meine Mutter? Warum?«
»Sie wollte wissen, ob es dir wirklich gutgeht, weil du nicht an dein Handy gegangen bist. Außerdem hat sie mich gebeten, dich daran zu erinnern, dass du morgen mit ihr zum Essen verabredet bist. Ich habe ihr versprochen, dir so lange auf die Nerven zu gehen, bis du sie anrufst. Also schnapp dir den Hörer, Grayson.« Sie lächelte, um den Tadel zu entschärfen. »Und nimm dir einen Muffin.«
»Mohn?«, fragte er, und sie nickte.
Lange Zeit war er verärgert gewesen, weil Daphne ständig Selbstgebackenes mit ins Büro brachte, aber das hatte vor allem daran gelegen, dass sie so gerne Pfirsiche verarbeitete, von denen er Ausschlag bekam. Nachdem er es endlich geschafft hatte, ihr zu gestehen, dass er ausgerechnet gegen Pfirsiche allergisch war, gab sie sich größte Mühe, seine Lieblingskuchen zu backen.
Daphne Montgomery, eine forsche Frau, vermutlich Anfang vierzig, die ihr Haar zu stark toupierte und Kostüme in zu grellen Farben trug, bemutterte das gesamte Büro, ihn eingeschlossen. Aber sie war clever und einfallsreich und im Gerichtssaal eine zähe Streiterin. Sie hatte erst Jura studiert, als ihr Sohn schon die Highschool besuchte, was nicht leicht gewesen sein konnte. In dem einen Jahr, das sie nun schon zusammenarbeiteten, hatte Grayson sie zu schätzen und respektieren gelernt. Und er mochte sie inzwischen sehr viel mehr, als er zugegeben hätte.
»Okay, ich halte Anderson so lange wie möglich hin, aber sieh zu, dass du dich bald bei ihm meldest, damit er zu maulen aufhört.«
Grayson schnappte sich einen Muffin. »Mach ich«, versprach er. Er schloss seine Bürotür und rief die eine Person an, von der er hoffte, sie würde ihm die Wahrheit sagen. Noch während das Telefon tutete, rief er das Video auf der Website des Nachrichtensenders auf. Als er »Ja, hallo?« hörte, blickte er erneut in die schwarzen Augen der fremden Frau.
»Stevie, hier ist Grayson.«
»Grayson?« Stevie Mazzetti, Detective bei der Mordkommission, klang augenblicklich beunruhigt. »Was ist los?«
Er zog die Brauen zusammen. »Wieso fragst du mich das immer?«
»Weil du nur anrufst, wenn etwas nicht in Ordnung ist.«
Darüber musste er einen Moment nachdenken. »Hm, vielleicht stimmt das ja. Aber dafür rufst du nur an, wenn du eine richterliche Verfügung brauchst.«
Sie lachte leise. »Stimmt auch wieder. Also, was kann ich für dich tun?«
»Die Schießerei heute Morgen. Erzähl mir bitte alles, was du mir sagen darfst.«
»Himmel.« Aus ihrer Stimme verschwand jeder
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