Todeskleid: Thriller (German Edition)
was Sie betrifft, bin ich mir tatsächlich auch nicht mehr sicher.« Einen langen Augenblick starrte Rex sie nur an. »Ich war der Meinung, Ramon sei der Täter. Wirklich. Ich habe keine Ahnung, wer es sonst war, und das ist die Wahrheit.«
»Erinnern Sie sich an eine Gruppe von Kindern aus dem MAC-Programm?«, fragte sie.
Rex zuckte kaum merklich zusammen, aber Grayson entging es nicht. Und Paiges Miene ließ darauf schließen, dass es auch ihr nicht entgangen war. »Crystal gehörte zu einer solchen Gruppe.«
Rex fiel die Kinnlade herab. »Oh«, sagte er so leise, dass es fast wie ein Hauchen klang.
»Das erklärt einiges?«, fragte Grayson.
»Nein.« Was offensichtlich gelogen war.
»Na schön, wir sehen die Sache in etwa so«, begann Paige. »Jemand hat diese Mädchen Jahr um Jahr sexuell belästigt oder missbraucht. Vielleicht sind sie bedroht worden, vielleicht hatten sie zu große Angst, jedenfalls hat keines jemals etwas gesagt. Oder sie haben es versucht, aber niemand hat ihnen geglaubt. Bis Crystal kam. Sie wollte zu Ihrer Party, um dort jemanden zu erpressen. Wollte sie Sie unter Druck setzen?«
Rex bedachte sie mit einem kalten Blick. »Sie wissen gar nichts.«
»Ich weiß, dass alle tot sind, Rex«, gab sie zurück. »Die meisten sind ermordet worden.«
Er starrte sie an. »Was?«
»Alle bis auf eine. Sechzehn Jahre, fünfzehn tote Frauen. Die Todesfälle ereigneten sich nach Crystals Tod. Ich weiß, dass man bei ihr eine Nachricht gefunden hat, die mit R.M. unterzeichnet war. Ich weiß, dass man Ihnen ein falsches Alibi verschafft hat. Und ich weiß, dass Sie der Familienversager sind.«
Er war blass geworden. »Und nun wollen Sie die Morde mir anhängen?«
»Die interessantere Frage ist doch, ob Ihre Familie sie Ihnen anhängen will. Man hat Sie fallengelassen, Rex. Und jetzt dürfen Sie den Kopf hinhalten.«
Er presste die Kiefer zusammen. »Ich habe nichts getan, das schwöre ich.«
»Ich glaube Ihnen«, sagte sie, und er kniff die Augen zusammen.
»Wieso?«
»Weil Sie damals noch zu jung waren. Sie waren ja erst vierzehn, als die letzte MAC-Truppe eingeladen wurde. Dass jemand Sie erpressen will, ergibt wenig Sinn.« Paige beugte sich vor. »Was ist an jenem Tag geschehen, Rex? Als Sie vierzehn waren?«
Er verzog die Lippen. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass irgendwas geschehen ist?«
»Weil Betsy erzählte, Sie hätten vorher alles getan, damit Ihre Großeltern Sie wahrnahmen. Danach hätten Sie sich nur noch aufgelehnt. Was haben Sie gesehen?« Als er nicht antwortete, seufzte sie. »War es Ihr Stiefvater?«
»Es hat keinen Sinn. Mir würde sowieso niemand glauben.«
»Lassen Sie es drauf ankommen«, gab sie zurück. »Ich habe heute schon viel Unglaubliches gehört. Das MAC-Programm hat sich durch Ihre ganze Kindheit gezogen. Wenn Sie etwas wissen, dann sagen Sie es uns bitte.«
Grayson fühlte sich unwohl. Etwas stimmte nicht in der Argumentation. Und dann begriff er. Rex war 1984, dem ersten MAC-Jahr, noch nicht einmal geboren. Seine Mutter war damals noch mit seinem Vater verheiratet gewesen. »Wann hat Ihre Mutter Ihren Stiefvater geheiratet, Rex?«
Paiges Schultern versteiften sich, und Grayson wusste, dass nun auch sie nachrechnete.
Rex sah misstrauisch auf. »Als ich drei war. Warum?«
»Weil Ihr Stiefvater demnach in den ersten drei MAC-Jahren gar nicht auf dem Grundstück gewesen sein kann«, sagte Grayson. »Bliebe nur noch …« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Rex verspannte sich, als wappne er sich gegen einen Hieb. Zorn blitzte in seinen Augen, doch auch Scham war zu sehen. Und da erkannte Grayson, dass er recht hatte. »Es war Ihr Großvater, nicht wahr, Rex?«
Paige riss die Augen auf. »Der Senator?« Sie überlegte einen Moment lang, dann nickte sie langsam.
Rex schluckte. »Er ist eine Ikone. Der Held der Familie.«
»Wenn er die Kinder sexuell missbraucht hat, ist er ein Krimineller«, widersprach Grayson mit fester Stimme.
»Das können Sie nie beweisen.« Rex legte seine Stirn auf die Rückenlehne des Stuhls, auf dem er noch immer rittlings saß. »Niemand wird Ihnen glauben. Er ist der Inbegriff der Familienwerte. Der liebende Ehemann.« Seine Lippen verzogen sich verbittert. »Der gute Vater. Ein Wahnsinnspolitiker.«
»Ich bin schon lange Ankläger, Rex. Ich weiß, dass Kinderschänder nicht grundsätzlich Trenchcoats tragen und in Parks ihre Geschlechtsteile zeigen. Es sind Leute, die ganz normal wirken. Viele haben ehrbare Berufe,
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