Todeskommando Solar
„Selbst die Geduld des gutmütigsten Kommandanten hat eine Grenze. Solange wir hier auf dem Neptun zur Untätigkeit verdammt sind, werdet ihr eure Zelte außerhalb des Schiffes aufschlagen! Ich habe genug von eurer Starrköpfigkeit!“
Er sah ihre verzerrten Gesichter den Gang heraufstarren. Wie die Trauben hingen sie an der Leiter – einer hinter dem anderen.
Fünf Meter tiefer, aus einem der nächsten Zweiggänge, tauchte Joyces Kopf auf.
„Laßt euch nicht beschwatzen!“ schrie sie. „Greift an!“
Keefauver wunderte sich darüber, wie häßlich ihre Stimme klang – von Wut und Machtgier verzerrt.
Die Männer bewegten sich. Der vorderste, nur noch zwei Meter unterhalb des Schotts, nahm drei Sprossen in einem Sprung und drang mit einem Beil, das er aus einem der Nothilfe-Kästen genommen hatte, auf den Kommandanten ein.
Keefauvers erster Schuß fegte alles von der Leiter, was zwischen dem Kommandostand und der nächsten Etage stand. Mit gellenden Schreien stürzten die Männer in die Finsternis.
„Greift an, ihr Feiglinge!“ heulte Joyce.
Andere Männer drangen aus den Zweiggängen heraus nach oben vor. Keefauver schrie sie an:
„Bleibt stehen, ihr Idioten! Seht ihr nicht, daß ich euch mit Leichtigkeit einen nach dem andern abschießen kann?“
Sie hörten nicht auf ihn. Im stillen gab Keefauver zu, daß Joyce eine großartige Rednerin sein mußte. Sie hatte den Männern den Todesmut eingeimpft.
Er schoß zum zweitenmal. Er bemühte sich, die Männer nicht tödlich zu treffen.
Plötzlich meldete sich Eugenios leise, vorsichtige Stimme im Helmmikrophon:
„Wie geht es, Kommandant?“
„Scheußlich“, antwortete Keefauver.
„Wo stecken Sie?“
„In der zweiten Etage von oben aus gerechnet. Ich habe im Außengang ein Stück weiter absteigen müssen, weil diese Frau ihre Leute im ersten Zweig verteilt hat!“
„Gut. Warten Sie eine Weile. Wir wollen sehen, wie sich die Sache entwickelt!“
Im Hauptgang war es still bis auf das Stöhnen der Verwundeten, das von der Sohle heraufdrang. Nach einigen Minuten ertönte plötzlich Joyces schrille Stimme:
„Wir wollen verhandeln!“
Keefauver grunzte zufrieden.
„Es bleibt euch nichts anderes übrig!“ rief er zurück, nachdem er das Fenster seines Helms wieder geöffnet hatte. „Zwei sollen heraufkommen! Ich werde mit ihnen reden!“
Unten hörte er hastiges Wispern. Dann meldete sich Joyce wieder:
„Ich komme selbst – mit einem Begleiter!“
Keefauver hörte die Absicht aus ihrer Stimme heraus. Er hatte sich ohnehin schon gewundert; Joyce war nicht die Frau, die schon nach zwei vergeblichen Angriffen aufgab.
Die Verhandlungen würden ihr Gelegenheit geben, seine Aufmerksamkeit vom Schott und dem Gang abzulenken. Ihre Männer sollten nachdrängen, ohne daß er es merkte.
Er grinste böse, als Joyces Kopf über dem Schottrand erschien. Er hatte die Sichtscheibe wieder geschlossen und Eugenio befohlen, sich am zweiten Gangkreuz zu postieren.
Jetzt öffnete er die Scheibe von neuem, um mit Joyce und ihrem Begleiter verhandeln zu können. Es war nicht Gwedlyn, wie er erwartet hatte, sondern ein anderer, kleiner, verschlagen dreinblickender Mann. Keefauver sah ihm den Messerwerfer selbst in der schlechten Beleuchtung an.
Er senkte seine Waffe nicht um einen Millimeter, als er sagte:
„Mißverstehen Sie mich nicht! Wir werden nicht verhandeln, sondern ich werde Ihnen sagen, was Sie jetzt zu tun haben. Ist das klar?“
Joyce nickte widerspruchslos. Es hätte nicht einmal mehr dieses Zeichens bedurft, um ihn über ihre wirkliche Absicht zu informieren. Dadurch, daß sie mit ihrem Begleiter in den Kommandostand geklettert war, hatte Keefauver ein Stück vom Schott zurücktreten müssen; und dadurch, daß sie dort stehenblieben, wo sie hereingekommen waren, nahmen sie ihm auch die Möglichkeit, an seinen Beobachtungsplatz zurückzukehren.
„Was haben Sie also zu sagen?“ fragte Joyce.
„Die Solar hat eine Menge Ausrüstungsgegenstände an Bord, die einen längeren Aufenthalt außerhalb des Schiffes auch unter den widrigen Bedingungen der Neptunoberfläche ermöglichen. Wir haben Heizzelte mit Schleusenkammern und einige Dinge mehr. Mit dem, was von Ihren Meuterern übriggeblieben ist, werden Sie also das Schiff verlassen und die Zelte beziehen – solange, bis wir Hilfe von der Erde bekommen!“
Jocye nickte auch diesmal nur. Keefauver beobachtete sie scharf; aber es war nicht sie, sondern ihr Begleiter, von dem er das
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