Todeskommando Solar
die Leute schweifen, die sich dich: aneinandergedrängt hatten, als fürchteten sie sich vor der kalten, feindlichen Welt, und sagte mit trockener Stimme:
„Wir werden unser Lager nicht dicht unter den Augen des Feindes aufschlagen! Am besten entfernen wir uns ein Stück vom Schiff!“
Gehorsam nahmen die Männer die Lasten auf. Die Frauen trugen die kleinen Pakete Konzentratnahrung, die Keefauver der Besatzung überlassen hatte. Sie waren so bemessen, daß sie höchstens vier Wochen ausreichten. Auf diese einfache Weise hatte sich der Kommandant versichert, daß die Besatzung nicht in alle Winde auseinanderlief.
Joyce horchte angespannt in den Helmempfänger. Außer dem Keuchen der Leute hörte sie keinen Laut. Niemand sprach.
Eugenio nutzte die Gelegenheit, sich in Joyces Nähe zu schieben. Als sie sich einmal auf dem Absatz ihres Schutzanzuges herumdrehte, um die beste Richtung ausfindig zu machen, sagte er leise und spöttisch:
„Vielleicht sollte jemand eine Münze werfen?“
Joyce sah ihn an.
„Wer sind Sie?“
Eugenio machte eine Verbeugung.
„Eugenio, Marchese di Calabria, stets zu Ihren Diensten, Madame!“
Joyce empfand den Spott und wußte, daß sie darauf eingehen mußte. Alle Leute hörten das Gespräch mit.
„Schön, Marchese! Werfen Sie eine Münze!“
Eugenio hielt theatralisch die Handfläche empor.
„Ein echter Maria-Theresientaler!“ sagte er feierlich, obwohl der Handschuh völlig frei war. „Das herrliche Bild der schönen Kaiserin zeigt diese Richtung, das Wappen die andere. Und jetzt – hopp!“
Er schleuderte die imaginäre Münze hoch in die Luft, verfolgte mit dem Blick ihren Flug und stürzte zu der Stelle, wo sie hätte aufschlagen können.
„Wappen!“ verkündete er. „Also diese Richtung!“
Unter dem Schein starker Ultrarotlampen verfolgte Keefauver vom Kommandostand aus das seltsame Spiel. Er grinste, als er die Richtung erkannte, in die Eugenio wies. Umrißhaft war am Horizont ein Einschnitt in der zerrissenen Hügelkette zu erkennen, die sonst die Ebene, auf der die Solar gelandet war, lückenlos nach allen Seiten hin abschloß.
Eugenios Helm war mit einem Zweitsender ausgerüstet, der auf einer anderen Frequenz arbeitete als die üblichen Helmgeräte, und Eugenio war darauf bedacht, den Ultrakurzwellen durch die Wahl des Lagerplatzes alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Die Kolonne setzte sich in Marsch. Ängstlich blieben die Leute beisammen, furchtsam richteten sie die Blicke fast nur auf den Weg. Kaum, daß der eine oder andere den Kopf wandte, um in die graue Finsternis hineinzuschauen, die alles nur in den Konturen erkennen ließ.
Nur Eugenio fühlte sich beherzter. Er schaute hinauf und sah die verwaschenen Lichtflecke der Sterne und den kaum größeren der Sonne.
Auf dem Anflug hatten die Geräte der Solar registriert, daß die wirksame Atmosphäre des Neptun eine Tiefe von mehr als dreitausend Kilometern besaß. Das war mehr, als das schwache Licht der Sterne ohne Veränderung ertragen konnte. Sie sahen aus wie entfernte Straßenlaternen in einer Nebelnacht.
Die stärkere Gravitation machte sich bemerkbar. Die Leute wurden schneller müde. Joyce ließ in kurzen Abständen Rast machen, und eine dieser Ruhepausen benutzte Eugenio, sich in ihrer Gunst weiter nach vorne zu drängen.
„Ich fühle mich nicht müde, Madame“, begann er, „und ich denke, es wäre ratsam, wenn wir vor dem Weitermarsch wüßten, was vor uns liegt. Wie wäre es also, wenn Sie mich als Kundschafter vorausschickten. Der Helmsender und die Handscheinwerfer sollten eigentlich verhindern können, daß ich mich verlaufe!“
Joyce sah ihn erstaunt an.
„Ich kenne fast alle Männer dieser Expedition“, murmelte sie. „Warum sind Sie mir nie aufgefallen?“
Eugenio zuckte nur mit den Schultern.
„Ihre Idee ist ausgezeichnet“, fuhr Joyce fort. „Ich dachte schon selbst daran; aber ich wollte es niemand zumuten. Wenn Sie möchten, dann nehmen Sie eine der Lampen und erkunden Sie den Weg. Wir werden mit Ihnen in Verbindung bleiben!“
Eugenio nickte freundlich, ließ sich von einem der Männer eine Lampe geben und machte sich auf den Weg.
Natürlich war er in seinem Herzen nicht frei von Angst; niemand konnte es sein, der zum erstenmal allein auf der Oberfläche eines fremden Planeten steht.
Aber Eugenio war ausgerüstet mit der unstillbaren Neugierde des Italieners, mit dem beruhigenden Fatalismus des Mannes, der fest daran glaubte, daß es ihm nirgendwo
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