Todesküste
Hauptkommissar mit. Er hatte wissen wollen, ob er in den
Bau müsse. Jürgensen hatte offengelassen, weshalb Rothers eine solche
Befürchtung hegte.
Danach rief Lüder zunächst Markus Schwälm an. Er
berichtete vom Einsatz am Vorabend und bat, dass die Itzehoer Kollegen sich der
Sache annehmen sollten. Sie würden Merseburger erkennungsdienstlich behandeln,
verhören und die Anzeige schreiben. Lüder sagte zu, einen Bericht zu senden.
»Gibt es Neues bei der Suche nach dem Leprakranken,
der sich angeblich in der Nähe des Opfers aufgehalten hat?«, fragte Lüder.
Schwälm atmete tief durch. »Suchen Sie mal ein
Phantom. Wenn der Leprakranke etwas mit dem Mord zu tun hat, dann war er
hervorragend getarnt. Auf dem Heider Marktfrieden ist er mit seiner
Kostümierung nicht aufgefallen. Und sein wahres Aussehen hat er geschickt
verborgen.«
»Merseburger, den die Streife gestern Abend bei Ihnen
eingeliefert hat, muss in seiner Jugend unter Akne gelitten haben. Jedenfalls
hat er ein zernarbtes Gesicht, das zudem auch noch mit Pickeln und Mitessern
bedeckt ist. Mit etwas Fantasie könnte man, wenn er das Gesicht durch eine
Kapuze im Schatten hält, sein Aussehen als leprakrank bezeichnen. Wer weiß
heute schon, wie Lepra aussieht? Da spielt die Vorstellungskraft der Zeugen
eine nicht unwesentliche Rolle.«
»Wir werden der Sache nachgehen«, versprach Schwälm.
»Man sollte nichts unversucht lassen, auch wenn ich
Merseburger aufgrund seines beschränkten Intellekts eigentlich nicht für fähig
halte, eine solche Tat wie in Heide zu begehen. Und für den Husumer Mord gehen
wir ohnehin von zwei Tatbeteiligten aus.«
»Könnte der zweite Mann vielleicht der – wie sagten
Sie? – der Abschnittführer sein?«
»Hier liegt unser Problem. Wir wissen immer noch zu
wenig«, sagte Lüder.
Nach dem Telefonat schrieb er den Bericht für Schwälm,
bevor er Frauke Dobermann anrief.
Nachdem die Leiterin der Mordkommission eingestanden
hatte, dass man weder bei der Identifizierung des Husumer Toten noch bei der
Aufklärung weitergekommen war, ließ sie ihren Unmut an Lüder aus. »Es ist
unkollegial von Ihnen, dass Sie mauern. Ich bin mir sicher, dass Sie uns
Informationen vorenthalten.«
»Sie irren sich. Dem LKA ist genauso wie Ihnen an der Aufklärung gelegen. Ich sehe meine Aufgabe darin,
die Ermittlungen zu koordinieren und die Ergebnisse miteinander abzustimmen,
die Sie und die Itzehoer erzielen. Wir haben es mit einem Täter bei beiden
Morden zu tun. Allerdings sind die Rahmenbedingungen mit Blick auf die Opfer so
unterschiedlich, dass es Sinn macht, zwei erfahrene Mordkommissionen arbeiten
zu lassen.«
»Wir brauchen keine Bevormundung durch Kiel, sondern
können unsere Arbeit allein verrichten. Und mit dem Kollegen Schwälm kann ich
auch ohne Ihre Vermittlung sprechen.«
»Das sollten Sie auch. Ich würde mich freuen, wenn Sie
begreifen, dass es hier nicht um eine behördeninterne Konkurrenzsituation geht,
sondern um die Nutzung von Synergieeffekten, um den oder die Täter zu fassen.«
»Akademisches Geplänkel«, kanzelte Frauke Dobermann
ihn ab. »Insbesondere, wenn ich höre, dass Sie mit den Husumern
zusammenarbeiten. Die haben mit der Sache überhaupt nichts zu tun.«
Lüder unterließ es, ihr zu antworten.
Missgelaunt beendete Frauke Dobermann das Gespräch.
Der Versuch, Mr. Myers vom amerikanischen
Generalkonsulat in Hamburg zu erreichen, war erfolglos. Entweder war der Mann
wirklich nicht im Hause oder er ließ sich verleugnen.
»Herr Myers hatte mir zugesagt, sich in einer
Vermisstenangelegenheit eines US -Bürgers
zu bemühen. Allerdings habe ich noch keine Antwort von ihm erhalten. Die Zeit
drängt. Deshalb erwarte ich noch heute den Rückruf. Wenn nicht von Myers, dann
von jemand anderem.«
»Ich werde es ausrichten«, erwiderte die Frau, die das
Gespräch entgegengenommen hatte, ungerührt.
Schließlich nahm Lüder das Mobiltelefon zur Hand, das
sie am Vortag Merseburger abgenommen hatten. Das Gerät war von der
Spurensicherung untersucht worden. Nun hatte Lüder es zurückerhalten. Einer der
Techniker hatte eine sauber geschriebene Liste beigefügt, auf der die im Handy
gespeicherten Rufnummern aufgeführt waren, die zuletzt angewählt worden waren
oder von denen Merseburger angerufen worden war. Sogar die Namen der Teilnehmer
hatte der eifrige Kollege herausgesucht. Und zusätzlich angefügt, dass man beim
Telefonprovider routinemäßig eine Liste der dort gespeicherten
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