Todesküste
Wochenende
störe, aber es gibt einen weiteren Mord, bei dem die ersten äußeren Anzeichen
auf Parallelen zu Steffen Meiners hinweisen. Heute Nacht wurde in Itzehoe ein
Taxifahrer erschossen. Wir gehen davon aus, dass der Täter nach der gleichen
Methode wie in Heide vorgegangen ist und dabei dieselbe Munition benutzt hat.«
Lüder ließ sich von Schwälm die bisherigen dürftigen Erkenntnisse vortragen.
»Welche Bedeutung es hat, dass der Taxifahrer asiatischer Herkunft zu sein
scheint, kann ich nicht sagen«, schloss der Hauptkommissar seinen Bericht.
»Wie heißt das Opfer? Wo wohnte er?«
»Das ist eine der Merkwürdigkeiten. Der Taxifahrer
hatte keine Papiere dabei.«
»Das kann nicht sein«, erwiderte Lüder. Im selben
Moment fiel ihm ein, dass er mit dieser rhetorischen Reflexion Schwälm
Unglaubwürdigkeit unterstellte. »Entschuldigung. So habe ich es nicht gemeint.
Es ist nur außergewöhnlich, dass ein Chauffeur ohne jede Papiere unterwegs ist.
Er müsste doch zumindest einen Führerschein haben. Und den
Sozialversicherungsnachweis.«
»Das wäre das Mindeste, was wir erwartet hätten.«
»Liegt eventuell ein Raubmord vor?«
»Kaum. Jedenfalls hat den Täter die Geldbörse des
Taxifahrers nicht interessiert. Der Tote muss sie in den Händen gehalten haben,
als er erschossen wurde. Wir haben sie neben dem Gaspedal gefunden.«
»Bevor Sie mir jetzt alles am Telefon erläutern, würde
ich mir gern selbst ein Bild davon machen. Wie ist die Lage am Tatort?«
»Dort gibt es nichts mehr zu sehen. Die
Spurensicherung hat alles aufgenommen, und das Fahrzeug ist unterwegs zur
Kriminaltechnik nach Kiel.«
»Und der Tote?«
»Ist auch unterwegs nach Kiel. Allerdings mit einem
anderen Transport.«
Sie verabredeten sich für in eineinhalb Stunden in der
Itzehoer Bezirkskriminalinspektion, Schwälms Dienstsitz.
Lüder hatte sich während des ganzen Telefonats auf
seinen Gesprächspartner konzentriert und nicht mitbekommen, dass Jonas seiner
Unterredung mit offenem Mund gefolgt war. »Oh, geil. Haben die einen Taxifahrer
umgebracht?«
Lüder war erschrocken. »Wieso lauschst du?«
»Du hast so laut gesprochen, dass man sich nicht
einmal im Keller hätte verbergen können, um deinem Telefonat aus dem Weg zu
gehen«, mahnte ihn Margit. »Muss das unbedingt vor den Kindern sein?«
»Das war nicht meine Absicht. Du weißt, dass ich …«
Lüder brach ab.
»Musst du jetzt dahin?«, fragte Jonas.
Lüder fuhr ihm mit gespreizten Fingern durch das
wuschelige Haar. »Ja, leider. Manchmal nimmt mein Beruf keine Rücksicht darauf,
dass ich Familie habe. Darum kann ich dich nur ermuntern, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen.«
»Aber wieso?«, ereiferte sich der Junge. »Kann ich
mit?«
»Nein«, sagte Lüder lachend.
»Wir haben doch heute keine Schule. Wieso nicht?«
»Zum Ersten heißt es ›weshalb nicht‹, und zweitens ist
das wohl nicht der richtige Ort für kleine Jungs.«
»Och Manno«, schimpfte Jonas, stampfte mit dem Fuß auf
und zog sich sichtbar beleidigt in sein Zimmer im Obergeschoss zurück.
Während Lüder hastig eine Tasse Kaffee trank, belegte
Margit ihm zwei Brötchen. »Die kannst du unterwegs essen«, sagte sie und
streichelte sanft über seinen Bauch. »Damit du nicht vom Fleisch fällst.«
Er erwiderte ihren Kuss und machte sich auf den Weg
nach Itzehoe. Zu dieser Stunde waren die Straßen leer. Lüder fuhr über die
Autobahn und bog kurz hinter Neumünster an der Abfahrt Großenaspe auf die
Bundesstraße. Er war sich bewusst, dass er mit der Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit kein Vorbild war. In Bad Bramstedt musste er
ein wenig Geduld zeigen. Dort stand er im üblichen Sonnabendstau vor der Ampel,
bevor er Richtung Itzehoe abbog.
Auf dem Rückweg werde ich bei meinen Eltern
vorbeischauen, dachte er sich, als er die Umgehung seiner Geburtsstadt
Kellinghusen befuhr.
Kurz darauf erreichte er Itzehoe, die Stadt an der Stör,
die vielen Richtung Norden fahrenden Touristen nur durch die Brücke über den
sich in der Marsch dahinschlängelnden Fluss bekannt ist, die mit ihren auf drei
reduzierten Fahrspuren eine Unterbrechung der Westküstenautobahn bedeutete.
Es war mit einiger Mühe verbunden, am Wochenende in
dem fast leblos wirkenden Gebäude bis in das Dienstzimmer Markus Schwälms
vorzudringen. Dankbar nahm Lüder den angebotenen Kaffee an.
»Alle Anzeichen deuten auf das gleiche Tatmuster hin,
wie wir es beim Heider Marktfrieden erlebt und wie ich es aus
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