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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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kräftige
Gestalt, die sich vom Beifahrersitz schälte. Dann schlug der Mann die Tür zu
und umrundete das Taxi. Als er vor dem Fahrzeug herumging, schrak Gwisdzun
zusammen. Es war nur für einen kurzen Moment, dass er im Halbdunkel das Gesicht
des Fremden erkennen konnte. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ungläubig rieb
er sich die Augen und sah noch einmal hin. Doch jetzt war der Mann aus dem
Lichtkegel verschwunden und öffnete die Fahrertür. Er griff in das Wageninnere,
zog an irgendetwas, und kurz darauf tauchte der Oberkörper des Fahrers auf. Der
Fremde trat einen halben Schritt zurück und zerrte heftig an der Kleidung des
Chauffeurs. Dabei geriet er in den Halbschatten der Straßenlaterne. Wie gebannt
starrte Gwisdzun erneut auf das Gesicht. Er glaubte zu träumen, als er einen
Geist sah. Dem Antlitz fehlte jeder menschliche Zug.
    Der »Geist« hatte den Fahrer jetzt komplett aus dem
Auto gezogen und ließ ihn einfach auf die Fahrbahn fallen. Dann rieb er sich
seine Hände, als würde er Schmutz abschütteln wollen. Schließlich stieg er in
den elfenbeinfarbenen Mercedes, löschte die Innenbeleuchtung und fuhr davon.
    Es dauerte eine Weile, bis Lothar Gwisdzun sich
gefasst hatte. Zögerlich ging er die wenigen Schritte zur Fahrbahn und beugte
sich über das leblose Bündel, das mitten auf der Fahrbahn lag. Vorsichtig
fasste er den zusammengekrümmten Körper an der Schulter und rüttelte daran.
»Hallo«, rief er leise und sah sich um, ob ihn jemand beobachtete. Doch niemand
war zu sehen. Der Taxifahrer stöhnte leise, gab aber keine Antwort. Erneute
rüttelte Gwisdzun an der Schulter des Mannes. »Hallo? Hören Sie mich? Können
Sie mich verstehen? Was ist denn?«
    Gwisdzun gestand sich ein, dass er mit der Situation
überfordert war. Ratlos verharrte er einen Moment mitten auf der Straße, bevor
er sich umdrehte und mit raschen Schritten seinem Hauseingang zustrebte.
Atemlos erreichte er die Wohnung in der ersten Etage, stieß polternd die
Haustür auf und griff zum Telefon.
    »Was ist mit dir los? Was machst du für einen Lärm?«,
fuhr ihn seine Frau an, die nur mit Unterwäsche bekleidet aus dem Bad
hervorsah.
    »Da haben sie eben ein Taxi überfallen«, stammelte
Gwisdzun und versuchte, die 110 zu wählen. Er war so nervös, dass es ihm erst
im zweiten Versuch gelang.
    »Polizeinotruf«, meldete sich eine beruhigend
klingende Stimme.
    »Die haben eben ein Taxi überfallen«, wiederholte
Gwisdzun erneut, diesmal in den Telefonhörer. »Ich habe gesehen, wie sie den
Fahrer aus dem Auto rausgeholt und auf die Straße geworfen haben. Da liegt er
immer noch. Beeilen Sie sich.«
    »Wo ist das?«
    »In der Kolberger Straße. Dort, wo sie einen leichten
Knick macht und der Parkplatz ist.«
    Der Polizist in der Notrufzentrale nahm die Adresse
auf und fragte nach Gwisdzuns Namen.
    Gwisdzuns Frau hatte sich inzwischen einen leichten
Sommermantel übergeworfen, während er – immer noch zitternd – in seinem
Wohnungsflur stand.
    »Du kannst den Mann doch nicht einfach da liegen
lassen?«, mahnte seine Frau.
    »Was sollen wir sonst machen?«, erwiderte er mit
bebender Stimme, folgte ihr dann aber doch auf die Straße.
    Verloren stand das Ehepaar mitten auf der Fahrbahn und
wartete, bis sich das erste zuckende Blaulicht näherte. Beide bemerkten nichts
vom feinen Nieselregen, der sie inzwischen völlig durchnässt hatte.

SIEBEN
    Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebten darfst du
ruhen. So oder ähnlich hatte es im Alten Testament gestanden. Lüder hatte
Verständnis für Gottes Irrtum. Dem Schöpfer war nicht an vielen Stellen
nachzuweisen, dass er Fehler begangen hatte. Aber an dieser Stelle hatte er sich
vertan. Das lag sicher daran, dass Gott erst im Neuen Testament Vater geworden
war und zur Zeit der ersten Niederschriften noch nicht hatte ahnen können, dass
es keinen Ruhetag gab, wenn man einen Sohn hatte. Schon gar nicht, wenn dieser
Jonas hieß.
    Wenn der Junge eine feindliche Armee war, dann hatte
er den Angriff im Laufe der Nacht ausgeführt und im Schutze der Dunkelheit
einen wesentlichen Teil des Ehebettes okkupiert. Doch damit war es noch nicht
getan. Während Lüder immer noch mit Bourbons Rache kämpfte, die er Professor
Meisters Honorar für die Vorlesung am Ufer der Förde verdankte, hatte Jonas die
dunklen Stunden genutzt, um im Tiefschlaf gegen noch finsterere imaginäre
Gestalten einen heftigen Kampf auszufechten. Dabei hatte er sich nicht auf urwüchsige
Lautmalerei beschränkt,

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