Todesküste
stimmte Lüder zu. »Die
173. Luftlandebrigade, in der Jethro Jackson gedient hat, war im Nordirak im
Einsatz und hatte dort ein paar unliebsame Begegnungen.« Lüder erinnerte sich
an das feucht-fröhliche Gespräch mit Professor Meister auf der Parkbank an der
Förde und berichtete Große Jäger von der sogenannten Sackaffäre in der
kurdischen Stadt Silêmanî, als die »Sky Soldiers« der US -Brigade einen geheimen türkischen Stützpunkt ausgehoben
hatten.
»Das trifft den Stolz dieser Leute«, stellte der
Oberkommissar fest.
»Und in Afghanistan war die Brigade auch im Einsatz.
Ich fürchte, wir wissen längst nicht alles, was sich in den Kriegsgebieten
zugetragen hat. Wer sagt uns, dass es nicht im Eifer des Gefechts vereinzelt zu
Übergriffen der hypernervösen US -Soldaten
gegen die Zivilbevölkerung gekommen ist, vielleicht sogar irrtümlich, weil man
vermutete, dass sich hinter der harmlosen Maske Terroristen verschanzt
hielten?«
»Dann könnte der Mord an dem Ausländer in Husum ein
Racheakt sein«, überlegte Große Jäger laut. »Und wenn der vermeintliche Asiat
aus Itzehoe früher auch in der US -Army
gedient hat?«
»Das sind weit hergeholte Vermutungen. Aber nicht
abwegig.«
Lüder gefiel, wie Große Jäger dachte. Der Husumer
»Provinzpolizist« zog keine engen Grenzen, sondern ließ seinen Gedanken einen
großen Radius.
»Nun wird dieser Abdullah Gücün nicht mit dem
Krummdolch herumlaufen und Leute ermorden, die er für Feinde seiner
Weltanschauung hält. Aber immerhin steht er unter Beobachtung des
Verfassungsschutzes.«
»Und zwar so intensiv, dass uns Fritzmeier auf ihn
aufmerksam gemacht hat«, ergänzte Lüder. »Mich wundert nur, warum uns der BND keine ergänzenden Informationen hat
zukommen lassen. Wenn man etwas gegen den Norderstedter Verein in der Hand hat,
ist es doch ineffizient, uns noch einmal ermitteln zu lassen.«
»Und wenn die Erkenntnisse auf nicht ganz legale Weise
gewonnen wurden? Zum Beispiel durch V-Männer. An dieser Vorgehensweise ist
seinerzeit auch der Verbotsantrag gegen die NPD gescheitert.«
»Weil der BND innerhalb des Bundesgebiets nicht tätig werden darf, spielt man uns diesen
Hinweis zu. Und wenn Fritzmeier seine Kontakte verschweigt, verbaut er uns
nicht die Möglichkeiten, gegen die Norderstedter vorzugehen, ohne dass alles
von einem Gericht verworfen wird. Außerdem hält sich der BND bedeckt, wenn er seine
innerdeutschen Aktivitäten nicht offenbart.«
»Das spricht für die Landespolizei
Schleswig-Holstein«, erklärte Große Jäger strahlend, als wäre er allein für
deren Ruf verantwortlich. »Man gibt uns einen Tipp, traut uns zu, das Rätsel zu
lösen, und hält uns für so loyal, dass wir die Geschäfte der Geheimdienste
nicht weiter hinterfragen.«
»Das könnte die Denkweise dieser Leute sein«,
pflichtete Lüder bei. »Aber dann ist es nicht so weit her mit der hohen
Meinung, die man in München über uns Landpolizisten hegt: Man hält uns für
nützliche Idioten.«
»Nicht ganz«, protestierte der Oberkommissar.
»Schließlich ist Fritzmeier damit erst herausgerückt, als er mitbekam, was wir
schon wissen. Oder besser: Was du schon herausgefunden hast.«
»Und da ist etwas dabei, was wir noch nicht decodieren
konnten. Warum sonst versucht man mich auf so infame Weise zu erpressen?«,
sagte Lüder und bog in Quickborn von der Autobahn ab. Kurz darauf waren sie am
Ziel.
Die Namensgleichheit zwischen dem Norderstedter
Gewerbegebiet Stonsdorf und dem von Kennern geschätzten Kräuterlikör war kein
Zufall. Im Gegensatz zum Getränk war die Stormarnstraße allerdings wenig
anheimelnd. Sie endete vor einem rot-weiß lackierten Schlagbaum. Rechts davon
behinderte ein durch ein Vorhängeschloss gesichertes verfallenes Tor den Zugang
zu einem zugewucherten Gelände, an dessen Rand ein Hochspannungsmast
emporwuchs. Alles wirkte öde und verlassen. Dazu passte die nicht mehr benutzte
Lagerhalle und das leise vor sich hinsummende Umspannwerk auf der anderen
Straßenseite. Am blauen Himmel mit den Kumuluswolken zog ein Flugzeug im Anflug
auf Hamburg seine Bahn.
»Wenn ich mir die Umgebung betrachte«, unterbrach
Große Jäger das Schweigen, »ist es ein fast bösartiger Seitenhieb der
Norderstedter, eine solche Straße nach dem Nachbarkreis Stormarn zu benennen.«
Die gesuchte Adresse fand sich auf einem nicht mehr
bewirtschafteten Grundstück. Vor dem tristen Hinterhofgebäude, das früher
einmal Kleingewerbe beherbergt haben mochte, standen
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