Todesküste
war.
Der Mann näherte sich bedächtig, während Gücün
aufsprang und ihm seinen Platz anbot. Auch der bisherige Wortführer war
aufgestanden. Lüder folgte dem Beispiel, während Große Jäger nur leicht sein
Hinterteil in die Höhe hob.
Der Bärtige erklärte etwas auf Arabisch. Zumindest
nahm Lüder an, dass es Arabisch war. Dann sah er Lüder an, nickte in dessen
Richtung und sagte: »Das ist der Imam der Abu-Bakr-Moschee hier in
Norderstedt.« Erneut wandte er sich an den Vorbeter, der geduldig zuhörte und
dabei unter seinen buschigen Augenbrauen abwechselnd Lüder und Große Jäger
durchdringend ansah. »Der Imam lässt sich entschuldigen. Er spricht leider kein
Deutsch.«
»Wie finde ich das?«, entfuhr es Große Jäger. »Das
wäre so, als wenn mein Pfarrer sich nur auf Lateinisch mit seinen Schäflein
unterhalten würde.«
Prompt warf ihm der Wortführer einen bösen Blick zu,
dann sagte er irgendetwas zum Imam. Daraufhin schenkte der Vorbeter dem
Oberkommissar einen langen Blick und gab eine lange, wortreiche Erklärung ab.
»Es mangelt Ihrem Kollegen offenbar am nötigen
Respekt«, sagte der Araber zu Lüder. Es war ein deutliches Abstrafen Große
Jägers, dass der Mann sich nicht direkt an den Oberkommissar wandte.
»Sie sprachen davon«, wechselte Lüder das Thema, »dass
Sie sich dafür einsetzen, die Amerikaner und ihre Verbündeten zu bekämpfen.«
Der Bärtige dolmetschte nun jeden Satz in Richtung des
Imams und übersetzte dessen Antwort. Offenbar hatte er die Gesprächsführung dem
islamischen Geistlichen überlassen.
»Es gibt keinen Gott außer Allah. Mohammed als der
einzige und wahre Gesandte Gottes hat die Menschen zum Monotheismus
verpflichtet. Deshalb ist es für uns eine heilige Pflicht, gegen den Unglauben
auf der Welt anzutreten.«
»Moment mal«, mischte sich Große Jäger ein. »Das ist
aber intolerant. Sie wollen mich doch nicht auf den Islam verpflichten.«
»Gott ist der Schöpfer aller Wesen und Dinge. Und sein
Wille ist im Koran festgelegt. Darin steht geschrieben, dass der allmächtige
Gott die Unterwerfung der Menschen unter seinen Willen fordert.«
»Ich nehme Ihnen nicht die Freiheit, Ihren Glauben zu
praktizieren, verlange aber, dass Sie mir auch meine Überzeugung lassen. Es
entspricht unserer freiheitlichen Tradition, dass jeder seine eigene
Überzeugung leben darf«, sagte Lüder.
Nachdem der Bärtige übersetzt und die Antwort des
Imams angehört hatte, schüttelte er den Kopf. »Das sind eben die Irrungen der
Ungläubigen. Es ist die Pflicht der Menschen, Gottes Willen zu erfüllen. Und
wer rechtgläubig ist, steht in der Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen. Etwas
anderes sagt übrigens auch der Papst nicht, nur dass er von falschen
Voraussetzungen ausgeht und Dinge toleriert, die nicht im Einklang mit Gottes
Willen stehen. Und besonders Amerika hat sich zum Wortführer im Kampf gegen den
Islam aufgeschwungen. Deshalb ist es legitim, sich dagegen zu wehren.«
Große Jäger war kurz davor, aufzuspringen, und ließ
sich auch durch Lüder nicht von einer Antwort abhalten. »Damit eines
unmissverständlich klar ist: Hier gelten unsere Regeln der freiheitlichen
demokratischen Rechtsordnung. Und wer sich nicht daran hält …«
Lüder hatte seine Stimme erhoben und fuhr dazwischen.
»Und so sehen Sie es als Verpflichtung an, jeden zu bekämpfen, der sich gegen
den Islam stellt.«
»Es die Pflicht unserer Religion, sich gegen den
Unglauben zu wehren, der uns mit Gewalt übergestreift werden soll.«
»Und da scheuen manche nicht davor zurück, auch Gewalt
anzuwenden.«
»Allahs Möglichkeiten sind vielschichtig«, wich der
Mann aus. Dann folgte eine längere Diskussion zwischen dem Wortführer und dem
Vorbeter.
»Der Imam lässt Sie wissen, dass genug Worte
gewechselt sind. Sie kennen unseren Standpunkt.«
Der Mann stand auf und schob seinen Stuhl als Zeichen
dafür zurück, dass seine Worte endgültig waren.
Die beiden Beamten erhoben sich ebenfalls. Lüder
deutete ein Nicken an und ging wortlos hinaus, während Große Jäger ihm
kopfschüttelnd folgte.
Sie hatten das Gebäude noch nicht ganz verlassen, als
sich Große Jäger eine Zigarette anzündete und feststellte: »Das verstehe ich
nicht. Die da drinnen haben sich nicht eindeutig von Gewaltanwendungen
distanziert.«
»Aber auch nicht gesagt, dass sie Gewalt anwenden. Man
muss ein wenig die Kultur dieser Menschen verstehen. Die haben ein anderes
Verhältnis zum Stolz.«
»Immerhin verbietet es ihr
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