Todesküste
Steffen Meiners
erwähnt?«
Sie schüttelte den Kopf und tupfte sich mit einem
Papiertaschentuch die Augen ab. »Wer soll das sein?«
»Oder Jethro Jackson?«
»Kenne ich nicht. Ich habe mich aber auch nie für die
Freunde meines Mannes von der Friedensbewegung interessiert.«
»Hat Ihr Mann Kontakt zur islamischen Gemeinschaft
hier in Norderstedt?«
»Ganz bestimmt nicht. Das wüsste ich.«
»Wo erreichen wir ihn? Im Herold-Center hat man uns
gesagt, er sei krank.«
»Herbert fühlt sich hundeelend. Der ist am Boden
zerstört. Der musste mal allein sein. Dann fährt er immer zum Angeln.«
»Wissen Sie, wohin?«
»Nicht genau. Ich bin nie mit gewesen. Das ist so ein
kleiner See. Irgendwo da oben zwischen Plön, Preetz und Malente. Kann sein,
dass es auch ein bisschen nach Lütjenburg rüber liegt.«
Ausgerechnet dort, dachte Lüder. In der Holsteinischen
Schweiz gab es jede Menge Seen.
»Ist er telefonisch erreichbar?«
»Er hat sein Handy dabei. Aber wenn er angelt,
schaltet er es ab.«
»Wann wollte er wieder zurückkommen?«
»Ich weiß es nicht«, seufzte sie und tupfte sich
erneut die Augen ab.
Sie wurden unterbrochen, als ein gemütlich aussehender
Mann in einer typischen Bürokombination in die Reinigung stürmte, kurz »Moin«
sagte und direkt auf Frau Holl zusteuerte. Er hielt ihr eine bunt gemusterte
Krawatte unter die Nase.
»Da habe ich Senf draufgekleckert«, sagte er. »Ich
konnte den Frikadellen zum Frühstück nicht widerstehen. Kriegen Sie das bis
heute Abend raus? Sonst kriege ich Ärger mit meiner Frau.« Dann sah er Lüder
und Große Jäger an. »Oh, Verzeihung. Habe ich mich vorgedrängelt?«
Lüder verneinte. »Wir waren ohnehin fertig.« Sie
verabschiedeten sich von Frau Holl.
Den Weg zum Auto nutzte Große Jäger, um seiner
Nikotinsucht zu frönen.
»Das wird immer bunter in diesem Fall. Wenn Achim Holl
beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr ist, dann gibt es möglicherweise
Berührungspunkte zu den Amerikanern. Ist es vorstellbar, dass dort irgendwo in
Afghanistan eine Schweinerei passiert ist und jemand Rache nehmen möchte? Wenn
mit ›Holl‹, wie wir es aus der Diskussion der Leute vom Kulturverein
herausgehört zu haben glauben, gar nicht Herbert, sondern der Sohn gemeint ist?
Dafür könnte auch sprechen, dass es sich hier auf Norderstedt konzentriert.«
»Du magst recht haben«, sagte Lüder. »Es ist
unlogisch, dass der alte Holl mit den Arabern gegen die Amerikaner paktiert, da
die Islamisten und Taliban alles andere als Friedensaktivisten sind und nicht
in sein Weltbild passen. Und wenn Herbert Holl das Ganze durchblickt, fürchtet
er um seinen Sohn und unternimmt alles, um uns von dieser Fährte abzulenken.«
»Indem er uns verschweigt, dass er überhaupt einen
Sohn hat. Was ist, wenn an dieser Sache Deutsche und Amerikaner
beteiligt waren? Zum Beispiel Jethro Jackson, der immer noch nicht
identifizierte Asiate aus Itzehoe und auf deutscher Seite Achim Holl?«
Lüder nickte geistesabwesend. »Deine Idee sollte man
verfolgen. Jackson und der Japaner haben Angst vor Vergeltung und flüchten. Sie
verstecken sich mit Hilfe von Holl senior im abgeschiedenen Schleswig-Holstein.
Dort werden sie von einem Killer, den wir als den ›Leprakranken‹ kennen,
aufgespürt und ermordet.«
»Und wie hängt Steffen Meiners aus Heide in der
Sache?«
»Wir wissen noch nicht, wer dem Schwarzen die Wohnung
in Husum besorgt hat. Dazu sollten wir dem Hausmeister ein Bild von Meiners
zeigen. Und eines von Herbert Holl«, ergänzte Lüder.
»Dann macht auch die Verzögerungstaktik der Geheimdienste
und des BKA Sinn«, sagte Große
Jäger. »Es ist anzunehmen, dass die Schlapphüte von der Sache in Afghanistan
wissen.«
»Natürlich ist denen nicht daran gelegen, dass die
Sache ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Berlin hat genug Probleme, dem
deutschen Wähler die Notwendigkeit des Auslandseinsatzes der Bundeswehr
verständlich zu machen.«
»Und das alles spielt sich in unserem ruhigen
Schleswig-Holstein ab, das doch fern der großen Weltpolitik liegt«, überlegte
Große Jäger laut.
»Vielleicht ist das der Grund: Weil wir für manche
Kleingeister abseitsliegen, glaubt man, dass niemand zwischen Nord- und Ostsee
solches Tun vermutet. Es wäre nicht das erste Mal, dass man versucht,
politische Probleme in die vermeintliche Provinz abzuschieben.« Lüder dachte
dabei an einen Fall aus der jüngsten Vergangenheit, als man in den fernen
Machtzentren der Republik plante,
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