Todesläufer: Thriller (German Edition)

und Schaufelbagger, die die lose Erde immer wieder umwendeten, waren sinnbildlich im Begriff, Geschichte zu machten. Die Stadtverwaltung hatte beschlossen, die Deponie Fresh Kills zu schließen und das ganze Gebiet in eine große Parklandschaft zu verwandeln. Die Arbeiten dazu waren im vollen Gange. Schon bald würde man dort statt aufgeschlitzter Müllsäcke Radfahrer und ballspielende Kinder sehen. Die letzten Überreste geschmolzenen Stahls würden an einen anderen Ort gebracht oder einfach tief unter den Rutschen und Wippen der Kinderspielplätze, die dort entstehen sollten, vergraben werden.
    Während sie den leicht abschüssigen Weg entlanggingen, kamen sie auf den Grund zu sprechen, warum sie nach Fresh Kills gekommen waren.
    »Was sagst du zu der Nummer, die Zerdaoui abgezogen hat?«, fragte Sam.
    »Ich weiß nicht recht.«
    Obwohl Liz es sich nicht eingestehen wollte, hielt sie die Theorie, die der Mann vorgetragen hatte, für verlockend. Sie schien wie ein Magnet eine ganze Reihe von Ereignissen aus der jüngeren und ferneren Vergangenheit auf sich zu ziehen und zu einem verblüffend logischen Ablauf zu ordnen. Unwillkürlich dachte sie an das Unternehmen Daniel, mit dem der Mossad im Jahre 2004 die Hauptverantwortlichen für das iranische Atomprogramm aus dem Weg räumen wollte.
    Da dieser Husarenstreich durch die Führung in Teheran im letzten Augenblick vereitelt worden war, hatte sich Israel genötigt gesehen, noch radikaler gegen die Kriegstreiberei des Ayatollah Chamenei vorzugehen.
    Allerdings würde sie diese Vermutungen, wie die Dinge lagen, ohne handfeste Beweise weder dem Nationalen Sicherheitsrat noch dem Präsidenten vorlegen können. Wollte man solche Vorwürfe gegen den »Erzverbündeten« der Vereinigten Staaten erheben, musste man mit unwiderlegbarem Material aufwarten.
    Außerdem hatte Liz nach längerem Nachdenken in der Hypothese einige Schwachstellen entdeckt, die noch beunruhigender waren als die plumpen Hinweise, mit denen die Amerikaner offensichtlich hinters Licht geführt werden sollten: Der Verweis auf das Attentat von 1993, die Tatsache, dass ausschließlich muslimische Chirurgen mit diesen Schrittmachern versorgt worden waren, und so manches andere.
    »Mir will nicht in den Kopf, welchen Grund die Israelis haben könnten, sich mit unseren Nachrichtendiensten anzulegen. Wenn sie vorhaben sollten, uns in einen mehr oder weniger erklärten Krieg gegen den Iran zu manövrieren, wären sie auf diese Informationsquellen doch noch dringender angewiesen als wir … Die wären für sie überlebenswichtig.«
    »Eine Frage, auch auf die Gefahr hin, dass du das für ziemlich banal hältst: Macht dir nicht noch etwas anderes Kopfzerbrechen?«
    »Woran denkst du?«
    »Erinnere dich an das, was uns der Kerl an der Al-Farouk-Moschee gesagt hat: Schon bevor diese Angriffe eingesetzt haben, waren sie gewarnt worden, dass Muslime mit Ausschreitungen rechnen müssten und es in ihrem eigenen Interesse wäre, ihre Läden eine Weile dichtzumachen.«
    »Sicher …«
    »Findest du es nicht sonderbar, dass israelische Geheimagenten ihren muslimischen Brüdern die Information zugespielt haben sollen, dass sie mit Ärger zu rechnen hätten? Glaubst du wirklich, dass ausgerechnet der Mossad bei seinen Geheimoperationen mit Samthandschuhen vorgeht?«
    Liz rief Greg an, der nach einer raschen Überprüfung bestätigte, dass die meisten Moscheen in New York die gleiche freundschaftliche Warnung bekommen hatten. Der Mann aus der Al-Farouk-Moschee hatte recht. Hier ging es nicht um eine Bedrohung, sondern um einen guten Rat zum Schutz der Muslime.
    Die Lagerhalle, nach der sie suchten, eine von vielen in einem Gewerbegebiet, das sich um den künftigen Great-Kills-Park herum erstreckte, lag nach einer Krümmung des schlammigen Weges vor ihnen. »H Mech-Tech« stand auf einem unauffälligen, kleinen, schwarz-roten Schild an der verriegelten Eingangstür.
    »Weit und breit kein Benton …«
    »Bei dem Chaos auf der Brücke überrascht mich das nicht. Wahrscheinlich steckt er mitten drin.«
    »Willst du ihn nicht anrufen?«
    »Nein, vielen Dank. Es geht auch ohne ihn. Sei doch froh, dass er uns wenigstens dieses eine Mal nicht auf der Pelle sitzt …«
    Sam hämmerte mehrfach mit der Faust gegen die Metalltür. Nichts rührte sich. Das Gebäude wirkte verlassen. Sie wollten gerade sehen, ob sie sich an der Rückseite Zutritt verschaffen konnten, als eine Gestalt, deren Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, aus