Todesläufer: Thriller (German Edition)
amerikanischer Seite. Es war noch zu früh, um festzustellen, ob er auch hinter der Hawala -Geschichte und den braunen Umschlägen steckte, hinter dem Hackerangriff auf die Gesundheitsbehörde, von deren Servern die Patientenakten kopiert worden waren, hinter der Manipulation der Schrittmacher oder dem Rechner in Sanaa. Die ganze Angelegenheit war so komplex, dass es einem einzigen Mann kaum möglich gewesen sein dürfte, so etwas im Alleingang zu organisieren.
Zweifellos hatte der französische Hochschullehrer den Iraner unter einem anderen Namen kennengelernt. Wahrscheinlich hatte ihm dieser eine in jeder Hinsicht an den Haaren herbeigezogene Geschichte erzählt. Es war nicht mehr nötig, im Einzelnen auszuloten, was Zerdaoui wusste oder nur unbewusst wahrgenommen hatte. Über das, was sie bereits in Erfahrung gebracht hatten, hinaus würde er ihnen keine weiteren nützlichen Informationen liefern können. Sie waren mit ihm fertig.
Devroe stahl sich für eine Weile aus der Kabine, um seinem Vorgesetzten telefonisch Meldung zu machen: »Zerdaoui hat Mohsen Chamran identifiziert. Genauer gesagt, hat er ihn nicht wirklich wiedererkannt …«
»Gut. Sag den Leuten von der NSA , dass sie alles rausrücken sollen, was sie über den Burschen haben. Nicht nur eine einfache Zusammenfassung, sondern den ganzen Klumpatsch: Fotos, E-Mails, sonstige Kontakte und so weiter!«
»Würde es nicht schneller gehen, das Zeug beim französischen Nachrichtendienst anzufordern? Wenn sich der Bursche normalerweise bei denen rumtreibt, müssen die doch auch Material über ihn haben.«
»Ich sehe nicht recht, wie ich den Franzosen solche Angaben entlocken soll, nachdem ich mir ihren kleinen Schützling Zerdaoui noch mal vorgenommen habe … Das hatte ich dir doch schon gesagt.«
»Und was mach ich jetzt mit dem?«
»Behalt ihn erst mal da. Wenn ich an das Theater hier draußen denke, glaube ich nicht, dass seine Botschaft auf seiner sofortigen Herausgabe …«
Erneut schnitt ihm eine Unterbrechung in der Leitung das Wort ab, dann wurde seine Stimme wieder hörbar, von Aussetzern unterbrochen.
»Hören Sie mich?«
»Ja, aber ich habe kein … Akku. Pollack auch nicht … müssen … aufladen … Auto …«
Dann brach die Verbindung endgültig ab.
Nachdem Devroe den Analysten der NSA sein Anliegen übermittelt hatte, holte er Nadir Zerdaoui aus der Kabine und brachte ihn in einen Raum, der dem glich, in dem man dessen Gattin beim ersten Verhör der beiden festgehalten hatte.
»Könnte ich eine Tasse Kaffee haben?«, fragte Zerdaoui. »Bitte … ich habe nichts getrunken, seit ich hier bin.«
Devroe seufzte und kehrte einige Minuten später mit zwei Bechern zurück, die er ganz oben am Rand hielt, um sich nicht die Finger zu verbrennen.
» Damit ist das nicht so einfach …«
Zerdaoui schüttelte die Handfesseln hinter seinem Rücken, um die Absurdität der Situation zu demonstrieren. Nach kurzem Überlegen entschloss sich Devroe, sie ihm abzunehmen. Immerhin ging von dem Mann keine Gefahr mehr aus.
»Danke.«
Kaum hatte Zerdaoui den Becher in die Hand genommen, als er seinem Kerkermeister dessen brühheißen Inhalt ins Gesicht schüttete.
»Aah! Nein! Verdammt!«
Zerdaoui verschränkte beide Hände ineinander und versetzte Devroe einen heftigen Schlag in den Nacken. Der Mann sank kraftlos in sich zusammen.
Das war einfacher, als ich gedacht hatte .
Der Franzose schaute hoch zu der Kamera unter der Decke. Er musste sich beeilen. In wenigen Sekunden würde ein Sicherheitsbeamter einen Blick auf den zugehörigen Kontrollbildschirm werfen, und dann würden Bewaffnete herbeistürmen.
Angesichts des beträchtlichen Gewichts seines Opfers gelang es ihm mehr schlecht als recht, den bewusstlosen FBI -Mann auf einen Stuhl zu hieven. Auf den ersten Blick hätte man fast glauben können, Devroe sei eingenickt. Seit wie vielen Tagen hatte der arme Kerl nicht geschlafen? Allerdings glaubte Zerdaoui nicht recht daran, dass die List lange unentdeckt bleiben würde.
Er zog Devroe die dunkle Jacke aus und nahm ihm die Dienstwaffe sowie den Dienstausweis ab, der ihm um den Hals hing. Dann zog er die Jacke an, hängte sich den Ausweis um und schob sich die Glock in den Hosenbund. Er spürte das kalte Metall des Laufs in der Nierengegend.
Okay … die Luft war rein .
So entspannt er konnte, ging er den Aufzügen entgegen. Kaum hatte er den Rufknopf gedrückt, als sich eine der Kabinen vor ihm öffnete. Nur ein kleiner Moment noch, dann
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