Todeslauf: Thriller (German Edition)
Sie sind meistens hin und her gerissen zwischen den beiden Welten, in denen sie sich bewegen.«
»Sie ist keine Verräterin.«
»Ich sollte Ihnen ein T-Shirt kaufen mit dem Spruch drauf«, meinte Mila.
»Sie sind unfair.«
»Ich bin der erste Mensch seit Monaten, der Ihnen die Wahrheit sagt, Sam. Dafür könnten Sie mir dankbar sein, okay?«
»Ich weiß zwar immer noch nicht, was Sie von mir wollen, aber ich bin jedenfalls nicht interessiert.« Ich stellte mein leeres Glas auf den Tisch. Es war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Whisky getrunken hatte. »Meine Frau ist weg. Es ist mir egal, was die anderen denken. Einfach … egal.«
»Haben Sie neulich die Nachrichten im Fernsehen gesehen?«
»Ja.«
»Sie haben von einem Bombenanschlag am Hauptbahnhof von Amsterdam berichtet.«
Ich hatte es in dem Truckstop in Albany mitbekommen. »Ich hab davon gehört«, sagte ich.
Mila schob mir ein paar Fotos über den Tisch. Ich sah sie durch. Einige der Aufnahmen zeigten das vergrößerte Gesicht einer jungen Frau. Attraktiv, dunkle Augen, ein großer Teil des Gesichts von einem Tuch verhüllt, so als wollte sie sich gegen die Kälte schützen. Sie trug ein langärmeliges Hemd und Jeans.
»Wer ist sie?«
»Die Tochter eines Mannes, den ich kenne. Eine nette junge Frau. Yasmin Zaid. Sie stammt aus London. Sie hat in ihrem Leben bisher nie Ärger gehabt, nie irgendwelche Dummheiten gemacht; sie hat ein Studium in Oxford abgeschlossen. Ein makelloses Leben. Sie wird seit drei Wochen vermisst, und gestern taucht sie plötzlich auf und spaziert über den Hauptbahnhof von Amsterdam, mit einem Rucksack. Ich glaube, dass da drin die Bombe war.« Mila zog ein weiteres Foto hervor. »Der Mann, der einen Meter hinter ihr geht …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Ich spürte einen Stich in der Brust. Es war der Mann, der den Audi gelenkt hatte, in dem meine Frau entführt wurde. Die Form seines Gesichts und die Narbe an der Schläfe hatten sich unauslöschlich in mein Gehirn gebrannt.
22
»Ich sehe eine gewisse Ähnlichkeit«, sagte Mila.
Ich blickte von dem Foto auf. »Sie meinen, diese junge Frau hat die Bombe …«
Mila reichte mir ein anderes Bild. Dieselbe Frau, wie sie – nun ohne Rucksack – aus dem Bahnhof eilt, der Mann, der meine Frau entführt hat, dicht hinter ihr. Ich sah auf die Zeitangabe.
Mila folgte meinem Blick. »Die Bombe ist zehn Minuten, nachdem Yasmin Zaid weggegangen ist, detoniert.«
Ich studierte das Gesicht des Mädchens. Sie wirkte nicht ängstlich oder aufgeregt wegen des Bombenanschlags. Ihr Gesicht war vielmehr … völlig ausdruckslos. Der Mann mit der Narbe hatte ein leises Lächeln auf den Lippen.
»Er entspricht durchaus Ihrer Beschreibung. Er muss Yasmin stark beeinflusst haben. Vielleicht auch Ihre Frau. Offenbar ist es seine Strategie, gute Menschen irgendwie dazu zu bringen, solche Gewaltakte auszuführen.«
»Ich verstehe nicht ganz. Ist er ein Terrorist?«
»Nein, das glaube ich nicht. Es hat sich niemand zu dem Bombenanschlag bekannt, und die Bombe wurde auch nicht in einem Zug gelegt, wo es viel mehr Tote gegeben hätte. Sie hätten Yasmin einen Selbstmordanschlag durchführen lassen können, wenn sie sie einfach nur als Werkzeug benutzt hätten. Stattdessen haben sie einen kleinen Zeitungskiosk in die Luft gejagt. Aus der Sicht eines Extremisten wäre das nicht unbedingt logisch. Genauso wenig wie der Anschlag auf das Bürogebäude in London.«
Ich dachte an den Geldzaren – ich hatte immer fest vermutet, der Anschlag in London hinge damit zusammen, dass wir dem Mann auf der Spur waren. Nach Milas Akzent zu schließen, war sie Russin – konnte es sein, dass sie mit ihm zu tun hatte? Aber dann würde sie mich wohl kaum anheuern, sondern mich einfach umbringen. Ich legte das Foto weg. »Die holländische Polizei wird wohl nach ihnen fahnden.«
»Die Holländer wissen noch nicht, wer sie ist, aber sie werden Gesichtserkennungssoftware einsetzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sie identifizieren. Vielleicht dauert es bloß ein paar Tage.«
»Woher haben Sie diese Fotos? Haben die holländischen Behörden sie herausgegeben?«
»Nein.« Mehr sagte sie nicht.
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Ich will, dass Sie Yasmin finden und sie zu mir zurückbringen.«
»Ich werde nicht für Sie arbeiten. Ich kann nicht.« Meine Stimme klang hohl, wie die von einem Geist. »Die Company …«
»Pah«, versetzte Mila geringschätzig. »Hören Sie doch
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