Todeslauf: Thriller (German Edition)
finde ich diesen Nic?« Ich berührte mit der Spitze des Werkzeugs meine Zunge.
Gregor erschauderte unter meinem Griff. »Er wohnt über einem Café drüben im Jordaan-Viertel. Aber meistens ist er in einer Bar, sie heißt Grijs Gander, in der Nähe der Rosse Buurt. Sie kennen ihn dort.«
Ich ließ ihn los. Langsam. »Du hast versucht, mir die Kehle durchzuschneiden«, sagte ich. »Wenn du willst, dass ich das vergesse, dann vergisst du dafür, dass du mit mir gesprochen hast. Du sagst niemandem ein Wort von mir, außer ich brauche dich als Referenz für diese Typen. Dann sind wir Kumpel, kapiert?«
Gregor nickte. »Du bist hinter Piet her. Ich mag diesen Piet nicht. Er kann von mir aus in der Hölle schmoren.« Er hielt seine verletzte Hand mit der anderen, ganz vorsichtig, damit es keine Blutflecken auf seinem Anzug gab. Er sah mich nicht an. Wer geplaudert hat, schämt sich meistens hinterher.
»Wenn du irgendwem von unserem Gespräch erzählst, komme ich wieder, Gregor. Dieser Nic interessiert mich nicht. Ich will nur mit Piet reden. Wenn du diesen Leuten von mir erzählst, dann mache ich einen Anruf, und du sitzt im nächsten Flugzeug nach Prag.«
»Ich sage nichts.«
Ich steckte ihm noch ein paar Euroscheine in die Tasche. Er seufzte beinahe vor Erleichterung. Dann nahm ich ihm sein Handy ab. »Wie heißt deine Frau?«, fragte ich ihn. »Und deine Stieftochter?«
Die Angst blitzte in seinen Augen auf. »Lass sie in Ruhe, Samson, bitte.«
»Ihre Namen«, beharrte ich mit eisiger Stimme.
»Meine Frau heißt Bibi, meine Stieftochter Bettina.«
»Ich hoffe, ihr seid glücklich, Gregor, du und Bibi. Sag Bettina von mir alles Gute zum Geburtstag.« Ich sah ihn einen langen Augenblick an und fügte hinzu: »Wenn sie irgendwann einen Film über Peter Lorre machen, musst du die Hauptrolle spielen.« Ich drehte mich um und ging hinaus.
Es war nicht meine Art, Leuten Angst einzujagen, und wenn Gregor nicht mit dem Messer auf mich losgegangen wäre, hätte ich ihn sicher nicht so hart angefasst. Aber Gregor war eben nur dann wirklich nützlich, wenn er Angst hatte.
Draußen auf der Straße überprüfte ich die Anrufliste von Gregors schickem Smartphone. Vor zwei Tagen hatte er einen Anruf von Nic bekommen, am späten Nachmittag. Wahrscheinlich die Verabredung zum Bier im Grijs Gander. Ansonsten sprang mir nichts Interessantes ins Auge. Viele Anrufe an Bibi, ein paar an Bettina. Sonst nichts.
Ich checkte die Nachrichten auf der Mailbox. Eine von Bibi, die wie ein Wasserfall auf Niederländisch sprach. Sie erinnerte ihn daran, dass er die Partydekoration für Bettina besorgen solle. Bibi klang ungeduldig und betrunken, und sie nannte ihn zweimal »nutzloses Stück Scheiße«, aber es stand mir nicht zu, Gregors Frauengeschmack zu kritisieren. Wahre Liebe ist eben blind, dachte ich und spürte im nächsten Augenblick einen Stich in der Brust, als ich an Lucy denken musste.
Die zweite Nachricht war schon eine Woche alt und stammte von Nic. Als kleines Extra zeigte das Smartphone dabei sogar sein Foto: dicker Hals, rotes Haar in einem kurzen Pferdeschwanz, mürrisches Gesicht. »Grijs Gander, heute Abend um sechs, wenn du dich von Bibis Kette losreißen kannst. Ich will dich mit einem Freund von mir bekannt machen«, sagte Nic in der Nachricht.
Gregor war sehr geschickt darin, alle möglichen Dinge unbemerkt über die Grenze zu bringen. Was wollte Piet in die Staaten schmuggeln?
30
Der Grijs Gander war nicht so nett wie der Rode Prins. Ja, selbst ein altes Pissoir hatte mehr Charme als diese Kneipe.
Sie lag am Rande der Rosse Buurt, einen Block oder zwei von den neonbeleuchteten Schaufenstern entfernt, in denen die Nutten posierten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass Familien und Leute mit ganz normalen Jobs in diesem Viertel lebten, und doch war es so.
Auf dem Weg zum Grijs Gander umgab mich ein Schwarm japanischer Touristen. Am frühen Abend tummeln sich hier vor allem nervöse Gaffer, die nur schauen wollen und sonst nichts. Die Mädchen in den Schaufenstern zeigen sich den Touristen, als wäre es eine Art Aufwärmtraining; sie wissen, dass die eigentliche Kundschaft bald kommen wird.
Der Grijs Gander war nicht bloß eine lausige Bar – es war noch dazu eine Karaoke-Bar. Und das machte es tausendmal schlimmer. Man stelle sich die Castingshow American Idol vor, nur dass die Juroren alle betrunken sind und möglicherweise gut mit einem Messer umgehen können.
Es war erst neun, also für Amsterdamer
Weitere Kostenlose Bücher