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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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des Oberschenkelknochens des Mannes an die Rechtsgenetische Abteilung geschickt hatte, um zu sehen, ob man daraus DNA-Spuren gewinnen konnte. Da man, soweit Ella informiert war, im Augenblick aber kein DNA-Material zum Abgleich vorweisen konnte, würde eine DNA-Analyse nutzlos sein. Einen Augenblick lang erwog sie, Simon zu erzählen, wie die Dinge lagen, und ihre eigene DNA zum Abgleich zur Verfügung zu stellen. Doch sie verwarf den Gedanken genauso schnell, wie er in ihrem Kopf aufgetaucht war. Sie hatte viel zu wenig in der Hand, um eine solche Anfrage zu stellen.
    Während sie unter der Dusche stand und das kalte Wasser über ihren Körper laufen ließ, versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren. Es funktionierte. Sie föhnte sich die Haare und beschloss, dass es an der Zeit war, ihre Ermittlungen von einem anderen Ausgangspunkt aus fortzusetzen.
    *
    Das erste Mal schlug er sie am Tag ihres Einzugs in die gemeinsame Wohnung. Es war ihre erste Wohnung, und sie erinnerte sich noch daran, wie aufgeregt sie gewesen war. Sie war zwar klein, aber immerhin größer als die kleine Kammer, in der sie bei Ernst und Grete gewohnt hatte. Die Dame, bei der Alfred sein Zimmer gemietet hatte, hatte ihnen erfreulicherweise auch eine Wohnung im selben Haus anbieten können.
    Der Schlag hatte sie von links getroffen. Eine Ohrfeige. Estrid hatte keine Ahnung, womit sie ihn dazu provoziert hatte, doch er gab ihr deutlich zu verstehen, was sie falsch gemacht hatte: Sie hatte ihn gebeten, ihr in der Küche zu helfen.
    »Keine Frau wird mir je Befehle in meinem eigenen Heim erteilen«, hatte er gesagt. Dann hatte er sie auf die Stirn geküsst und sie in der Küche allein gelassen. Das Ganze ging so schnell, dass sie gezwungen war, sich im Spiegel im Flur zu betrachten, um sicherzugehen, dass sie sich den Schlag nicht eingebildet hatte. Obwohl es noch in ihrem Ohr nachhallte und in ihrem Kopf hämmerte, realisierte sie den Schlag erst, als sich die Rötung und die schmalen Ränder abzeichneten, die seine Finger auf ihrer Wange hinterlassen hatten. Vielleicht war es ja keine Absicht gewesen, so fest zuzuschlagen, hatte sie überlegt. Vielleicht war es eher als Scherz gemeint. Dennoch traute sie sich nicht, das Thema anzusprechen.
    Eine Woche später fuhr er zum ersten Mal wieder zur See, und ihre Erinnerung an den Schlag verblasste. Sie schrieb ihn als Folge einer Reihe unglücklicher Umstände ab. Es war eben eine große Umstellung, mit jemandem zusammenzuziehen, wenn man daran gewöhnt war, allein zu wohnen, hatte sie sich gesagt.
    Die zweite Misshandlung war bedeutend schlimmer gewesen. Diesmal war er betrunken. Sie war es aus ihrer Zeit als Hausmädchen in den feinen Salons zwar gewohnt, mit mehr oder weniger angeheiterten Männern umzugehen, aber das hier war etwas anderes. Er war nicht darauf aus, sie ins Bett zu bekommen, sondern wollte einfach nur zuschlagen. Vielleicht hatte er eine Schlägerei in der Kneipe verloren, vielleicht war er auch einfach nur von einem Frauenzimmer abgewiesen worden. Wie auch immer, Estrid war diejenige, an der er seine Aggressionen ausließ. Er schlug sie mit der geballten Faust so lange ins Gesicht, bis die Bettwäsche blutig war. Dann hatte er versucht, sie zu umarmen und zu küssen. Ihr hingegen liefen schweigend die Tränen die Wangen hinunter, während er seinen Samen in sie entleerte. Danach war er erschöpft eingeschlafen. Als sie sichergehen konnte, dass er sobald nicht wieder aufwachen würde, wand sie sich aus seinem Griff und stand auf. Sie versuchte, die Schwellungen in ihrem Gesicht mit Eis zu kühlen und nähte dann mit zwei Stichen ihre aufgeplatzte Augenbraue im Badezimmer mit Nadel und Faden.
    Am Tag darauf hatte sie versucht, die Blutflecken mit lauwarmer Milch herauszuwaschen. Als sie sich bei Tageslicht im Spiegel betrachtete, traf sie eine Entscheidung. Nie wieder würde er ihr so etwas antun dürfen. Leider sollte sie nicht recht behalten.
    *
    Ella untersuchte die Frau ruhig und methodisch. Sie leitete ihre Untersuchungen lebender Personen immer damit ein, dass sie ihnen erklärte, wer sie war und dass sie zwar Ärztin, aber nicht die Doktorin der zu untersuchenden Patienten sei. Sie habe auch keine Schweigepflicht gegenüber der Polizei, fuhr sie fort. Die Untersuchung war in diesem Fall seitens der Frau absolut freiwillig, da sie Anklage erhoben hatte. Ella wusste, dass die Frau nach der angezeigten Vergewaltigung bereits von einem Gynäkologen untersucht worden war, aber die

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