Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
problemlos für Beträge renovieren ließen, für die man einen kleinen Stadtteil erwerben könnte.
Sie rief ihn vom Auto aus an.
»Sebastian Crona.« Er klang formell, genau wie immer.
»Hallo, Sebastian, hier ist Ella.«
»Ella!«, rief er aus. Er klang nahezu erleichtert.
»Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen«, begann sie zögerlich. »Es geht um die Lebensversicherung meines Vaters«, fuhr sie fort.
»Hm.« Er klang abwartend.
»Sind Sie im Büro?«, fragte Ella, ohne eigentlich eine Antwort abzuwarten. Denn sie wusste, dass er inzwischen in seiner unnötig großen Villa von zu Hause aus arbeitete und sie nur in Ausnahmefällen verließ. Mit den Jahren war er zunehmend exzentrisch geworden, und er schien erst nach einem langen und erfolgreichen Berufsleben als Rechtsanwalt die Vorzüge des Lebens zu genießen.
»Darf ich Sie zu einem kleinen Mittagessen einladen?«, fragte er ruhig.
»Ich bin in zehn Minuten da«, antwortete Ella kurz.
»Ich deute Ihre Antwort als ein Ja«, entgegnete er amüsiert und legte auf.
*
Auch wenn sein Auftraggeber davon überzeugt gewesen war, dass eines Tages alles ans Licht kommen würde, hatte er ihm nicht geglaubt. Viel zu weit hergeholt, zu unwahrscheinlich. Doch jetzt war der Tag also gekommen. Sie war ihnen auf der Spur.
Die vergangenen Wochen hatten an ihm gezehrt. Seit er die Zeitungsnotiz zu der aufgefundenen Leiche gesehen hatte, fühlte er sich rastlos. Nach dem ersten Zeitungsartikel ließ das mediale Interesse an der Leiche jedoch leider nach.
Er war von Natur aus ein neugieriger und ungeduldiger Mann, doch nach seinem zweiten Besuch in Ella Anderssons Wohnung hatte er sich lieber aus der Sache herausgehalten. Das Risiko, ertappt zu werden, war schlicht und einfach zu groß. Als die Ungewissheit beinahe unerträglich geworden war, kam der erlösende Anruf. Ella meldete sich bei ihm. Sie klang etwas angespannt, und dem Rauschen im Hintergrund zufolge, rief sie ihn vom Auto aus an. Sie war bereits auf dem Weg und würde in weniger als zehn Minuten in seiner Einfahrt parken. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Schnell und methodisch bereitete er sich vor.
Er stieg mit schnellen Schritten die Kellertreppe hinunter und tippte den Code zu dem Raum ein, den er vor weniger als einem halben Jahr hatte einbauen lassen. Dann trat er in die Dunkelheit und Kühle und holte tief Luft. Obwohl er gerade mal fünfundsechzig Jahre alt und relativ gut in Form war, verspürte er manchmal einen Druck auf der Brust, wenn er sich anstrengte. Er atmete noch ein paar Mal tief ein und versuchte sich zu entspannen. Der Druck legte sich langsam, und er kehrte in die Küche zurück.
Der Rechtsanwalt Sebastian Crona stand bereits in der Tür, als Ella in die Einfahrt bog. Das große Eisentor hatte er mit einer Fernbedienung geöffnet. Sie sah irgendwie anders aus, als sie auf ihn zukam. Weiblicher. Wie ihre Mutter, dachte er. Sie lächelte.
Sichtlich zufrieden wies er ihr den Weg in die Küche. Er hatte den Küchentisch für zwei Personen gedeckt und servierte nun jedem ein noch dampfendes heißes Pilzomelett aus der Pfanne. Neben den Tellern stand eine gut gekühlte Flasche Chablis, die er aus seinem neuen Weinkeller geholt hatte.
Ella lehnte den Wein höflich ab, ließ sich jedoch von dem frisch zubereiteten Omelett verführen. Dafür, dass er bis zu seinem fünfzigsten Lebensjahr nie selbst gekocht hatte, war Sebastian ein hervorragender Koch. Sein Interesse an Essen hatte er offenbar erst im fortgeschrittenen Alter entwickelt, und Ella freute sich auf die kulinarischen Entdeckungsreisen mit ihm in neu eröffnete Restaurants. Außerdem lud er sie immer ein, was während ihres Studiums eine Art Voraussetzung dafür gewesen war, dass Ella überhaupt hatte mitkommen können.
Als Ella nur eine halbe Stunde später wieder auf die Straße einbog, stand der alte Rechtsanwalt in der Einfahrt und winkte ihr nach. Er war gelinde gesagt verblüfft.
Sie hatte ihm ein paar kurze Fragen zu Frederick Anderssons Lebensversicherung und dem Auftrag als Verwalter gestellt, der Sebastian erteilt worden war, als die Lebensversicherung fällig wurde. Der damals noch relativ frischgebackene Rechtsanwalt Crona hatte zu der Zeit in einem kleineren Rechtsanwaltsbüro gearbeitet, wo es zu seinen Pflichten gehörte, hin und wieder als Vertreter oder Verwalter einzuspringen, wenn es nötig war. Auch wenn er ihre Fragen auf Anhieb hätte beantworten können, war er in sein Büro gegangen und hatte
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