Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Auktionshaus auf seiner Homepage abgebildet hatte. Sie legte ihn auf den Tisch vor ihm.
»Erkennen Sie sie wieder?«
Die Falte auf seiner Stirn erhielt Gesellschaft von zwei weiteren.
»Meine Frage ist ganz einfach. Wissen Sie, wie diese Uhr in den Besitz Ihres Vaters kam?«
»Ich habe dieses schwere Ding doch verkauft.«
Mikael Erlandsson wirkte fast schuldbewusst. Ella lächelte.
»Ich weiß, und ich war diejenige, die es gekauft hat. Das Problem besteht darin, dass ich davon überzeugt war, die Uhr wäre bei einem Brand im Jahr 1976 zerstört worden.«
Er saß eine Weile stumm da und betrachtete das Foto. Ella deutete sein Schweigen positiv. Nach ein paar Sekunden schaute er wieder auf.
»Es war, ein paar Jahre bevor ich von zu Hause auszog …« Mikael schien seine Worte genau abzuwägen. »Mein Vater Arne war ein sehr rüstiger alter Mann. Er arbeitete Vollzeit als Hausmeister im Krankenhaus und zusätzlich bei einer vermögenden Familie in der Stadt.«
Ella verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, wollte ihn jedoch nicht unterbrechen.
»Irgendwann im Frühjahr, bevor ich mein Abitur machte, hörte er plötzlich im Krankenhaus auf. Ich habe nie begriffen, warum, aber ich glaube, er hat sich irgendetwas zuschulden kommen lassen. Danach arbeitete er Vollzeit bei dieser Familie. Ich weiß noch, dass mein Vater in dieser Zeit irgendwie bedrückt wirkte. Er zog sich zurück, was ungewöhnlich für ihn war, denn ansonsten war er sehr gesellig und aufgeschlossen. Ich erinnere mich noch daran, dass diese Uhr irgendwann im Frühjahr bei uns auf der Kommode stand. Ich traute mich allerdings nicht zu fragen, woher er sie hatte.«
Ella ahnte, dass Mikael nur ungern in dieser Art und Weise über seinen Vater sprach.
»Ich habe keinerlei Gründe anzunehmen, dass Ihr Vater die Uhr auf illegale Weise in seinen Besitz gebracht hat«, unterbrach sie ihn.
Mikael lächelte skeptisch, während er fortfuhr.
»Viele Jahre später habe ich meinen Vater dann gefragt, wie er an die Uhr gekommen ist, und ich kann mich noch heute an den Blick erinnern, den er mir zuwarf, als er antwortete: ›Ich habe einem Mann geholfen zu sterben‹. Das war alles, was er sagte. Damals war er schon recht alt, und ich war mir nicht ganz sicher, was er meinte. Ich weiß, dass er manchmal bei den Sterbenden im Krankenhaus saß, und habe mir Gedanken gemacht, ob es sich vielleicht um eine Art Bezahlung für aktive Sterbehilfe gehandelt hat.«
Mikael machte eine Pause.
»Doch dann taucht unerwartet eine Rechtsmedizinerin auf und deutet an, dass sie die Herkunft der Uhr kennt.«
Er lächelte und sah Ella forschend an.
»Sie haben mir noch nicht verraten, wer sie besessen hat, bevor sie bei meinem Vater landete.«
Ella überlegte kurz, ob sie ihm vertrauen konnte.
»Sie stand in meinem Elternhaus. Und soweit ich weiß, stand sie auch dort, als das Haus 1976 bis auf die Grundmauern niederbrannte.«
»Und ich nehme an, dass Ihre Eltern kein Licht in die Sache bringen konnten?«, versuchte Mikael es zögerlich.
»Mein Vater kam bei dem Brand ums Leben.«
Sie schwiegen lange, bis Mikael ihrem Blick begegnete. Die freundlichen Augen musterten sie eingehend. Dann veränderte sich plötzlich sein Gesichtsausdruck, und die nachdenklichen Falten auf seiner Stirn verschwanden.
»Sie waren das Mädchen, das im Garten gespielt hat! Ich habe meinen Vater manchmal begleitet und ihm geholfen, den Rasen zu Hause bei der Familie Rossing zu mähen und die Büsche zu beschneiden.«
Beim Nachnamen hielt er kurz inne.
»Das ältere Ehepaar lebte in einer herrschaftlichen Wohnung in der Innenstadt, während ihre Tochter und ihre Familie in einer fantastischen Villa draußen beim alten Schwimmbad wohnten. Eine Villa, die irgendwann in den 70er Jahren bis auf die Grundmauern abbrannte.«
»Liedenburg-Rossing«, ergänzte Ella. Es klang wie ein beschämtes Flüstern.
»Ich wusste gar nicht, dass bei dem Brand jemand ums Leben kam.«
Die Stimme des großgewachsenen Mannes klang plötzlich weich wie Samt. Ella hatte bisher nur selten so eine Diskrepanz zwischen dem Äußeren und dem inneren Wesen eines Menschen erlebt. Er war zwar groß und hatte ein derbes Aussehen, doch er war einfühlsam und clever. Sie fühlte sich unmittelbar zu ihm hingezogen.
»Jetzt muss ich leider los zu einer Verabredung«, sagte er entschuldigend. »Ich habe völlig die Zeit vergessen.«
Ella schaute auf die Uhr und stellte fest, dass sie ebenfalls zurück ins Büro
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