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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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halten solle. Und an Olson, der mit der Unterwürfigkeit eines geprügelten Hundes das Stück Käse von ihm entgegengenommen hatte. Das alles hatte wohl doch eine höhere Intensität als das Normale; die Kontraste von Licht und Schatten und die Farben waren deutlicher.
    Um elf Uhr geschahen mehrere Dinge fast gleichzeitig. Zunächst machte eine Nachricht die Runde. Es hieß, daß eine kleine Holzbrücke weiter vorn von den schweren Regenfällen am Nachmittag weggespült worden sei. Ohne Brücke mußte der Marsch kurzfristig angehalten werden. Ein schwacher Freudentaumel ging durch die erschöpften Reihen, und Olson preßte ein »Gott sei Dank!« durch seine zusammengebissenen Zähne.
    Einen Augenblick später ließ Barkovitch eine Flut von Schimpfwörtern gegen seinen Nachbarn los. Es war ein häßlicher, untersetzter Junge mit dem unseligen Namen Rank. Rank boxte ihn mit der Faust ans Kinn - etwas, das ausdrücklich verboten war - und erhielt dafür eine Verwarnung. Barkovitch war nicht einmal aus dem Tritt gekommen. Er duckte bei dem Schlag einfach den Kopf weg und hörte nicht auf zu brüllen.
    »Na los, du Scheißer! Ich werde auf deinem gottverdammten Grab tanzen. Nun heb schon die Füße hoch, du Idiot! Mach es mir doch nicht so verdammt leicht!«
    Rank landete einen zweiten Hieb. Barkovitch tänzelte leichtfüßig zur Seite und stolperte über den Jungen, der neben ihm lief. Beide wurden verwarnt. Die Soldaten beobachteten die Entwicklung nun aufmerksam und mit unbeweglichen Gesichtern - wie Männer, die über eine Brotrinde krabbelnde Ameisen betrachteten, dachte Garraty bitter.
    Rank marschierte nach vorn, ohne Barkovitch noch einmal anzusehen. Doch Barkovitch war jetzt stinksauer über die Warnung - der Junge, den er mit hineingezogen hatte, war Gribble, der den Major einen Mörder genannt hatte -, und er rief ihm hinterher: »Deine Mutter lutscht den Männern auf der Zweiundvierzigsten die Schwänze, Rank!«
    Bei diesen Worten drehte Rank sich plötzlich um und ging auf Barkovitch los.
    Rufe wie: »Hört doch auf damit!« oder »Laßt den Unsinn!« ertönten, aber Rank achtete nicht auf sie. Er rannte brüllend und mit gesenktem Kopf auf Barkovitch los.
    Barkovitch trat zur Seite, und Rank stürzte ins Leere, stolperte, rutschte auf dem weichen Sand des Seitenstreifens aus und fiel mit ausgestreckten Beinen auf den Hintern. Er erhielt seine dritte Verwarnung.
    »Na los, du Blödmann!« stachelte Barkovitch ihn an. »Steh auf!«
    Rank kam auf die Füße, rutschte wieder aus und fiel diesmal voll auf den Rücken. Er schien benommen und schwindlig zu sein.
    Das dritte, was sich gegen elf Uhr ereignete, war Ranks Tod. Als die Karabiner in Sicht kamen, herrschte einen Augenblick betroffene Stille, und dann rief Baker laut: »Da siehst du's, Barkovitch! Jetzt bist du nicht mehr nur eine Pest, jetzt bist du ein Mörder!«
    Die Gewehre krachten. Ranks Körper wurde durch die Wucht der Kugeln in die Luft gewirbelt. Dann blieb er mit verdrehten Gliedern, einen Arm auf der Straße, liegen.
    »Es war seine eigene Schuld!« kreischte Barkovitch. »Ihr habt es gesehen, er hat mich zuerst geschlagen! Hinweis acht! Hinweis acht!«
    Alle schwiegen.
    »Haut ab! Laßt mich in Ruhe! Fickt euch selbst, ihr alle!«
    Da sagte McVries gelassen: »Geh doch zurück und tanz ein bißchen auf ihm, Barkovitch! Na los, unterhalte uns ein bißchen! Tanz ein wenig Boogie auf seiner Leiche, Barkovitch!«
    »Deine Mutter lutscht ebenfalls Schwänze auf der Zweiundvierzigsten, Narbengesicht!« rief Barkovitch heiser.
    »Ich kann es gar nicht erwarten, dein Gehirn quer über die Straße verspritzt zu sehen!« sagte McVries ruhig. Seine Hand war zur Narbe hinaufgewandert und rieb sie ununterbrochen. »Ich werde jubeln, wenn das passiert, du kleiner, mörderischer Bastard!«
    Barkovitch murmelte etwas vor sich hin. Die anderen waten alle von ihm gewichen, als hätte er eine ansteckende Krankheit, so daß er jetzt ganz allein lief.
    Um zehn nach elf hatten sie sechzig Meilen erreicht, und weit und breit war keine Brücke zu sehen. Garraty glaubte schon, daß die Gerüchte diesmal bestimmt falsch gewesen wären, als sie über eine Hügelkuppe gingen und unter sich einen hellen Lichtschein erblickten, in dem sich eifrig hantierende Männer bewegten. Das Licht kam von den Scheinwerfern mehrerer Lkws, die auf eine kleine Holzbrücke gerichtet waren, welche über einen rasch fließenden Bach führte. »Ehrlich, Leute, ich liebe diese Brücke«,

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