Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
noch eine kurze Observierung von Einzelpersonen nach den Verhaftungen, die ist aber bald eingestellt worden, weil nichts dabei rumkam. Und zweitens ist die Gruppe spätestens nach der Auflösung des Vereins auseinandergegangen.«
»Außerdem passen ein paar alte Rocker und Schlägertypen nicht zu den Studenten, mit denen wir es vor zwei Jahren zu tun hatten, oder?«, warf Doris ein. »Ich meine, das waren immerhin zu hundert Prozent Akademiker, da treffen doch zwei Welten aufeinander.«
»Das denke ich auch«, nickte Julia zustimmend. »Konzentrieren wir uns auf die Ringfahndung nach Alexander Bertram. Parallel dazu kümmere ich mich um eine bundesweite Suche nach Fällen, die in unser Raster passen. Sabine«, wandte sie sich an ihr Gegenüber, »hierbei könnte ich deine Unterstützung brauchen. Es wäre mir außerdem lieb, wenn du deine ehemaligen Kollegen bei der Sitte noch mal auf diesen Video-Heini ansetzen könntest. Nur um auf Nummer sicher zu gehen, du weißt schon.«
Zehn Minuten später öffnete sich die Aufzugstür, und Kaufmann und Durant standen in einem langen, taghell erleuchteten Gang mit dem üblichen grau gesprenkelten Boden und unzähligen Türen.
»Warst du schon mal hier unten?«, fragte Julia ihre Kollegin. Sabine überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein, also nicht direkt«, sagte sie schnell, »jedenfalls nicht in der Computerabteilung. Hat sich irgendwie noch nicht ergeben.«
»Na, ich bin mal gespannt«, lächelte die Kommissarin, »du wirkst ja schon ganz aufgeregt.«
»Wieso?«
»Weil du mir hier eine dreifache Verneinung auf eine ganz simple Frage präsentierst. Ein Nein hätte es auch getan, es ist keine Schande, diese Etage selten oder gar nicht zu besuchen.« Die Kommissarin erinnerte sich an ihren eigenen ersten Kontakt mit den beeindruckenden Räumlichkeiten der Kriminaltechnik. »Es ist zur einen Hälfte wie bei CSI oder irgendeiner dieser Krimiserien … aber dann doch wieder ganz anders.« Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht, ein kurzer, rabenschwarzer Moment der Erinnerung.
»Was ist?«, fragte Kaufmann, der das plötzliche Stocken in Julias Schilderung nicht entgangen war.
»Ach, ich bin selbst eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen«, wich die Kommissarin aus.
»Und?«, bohrte Sabine. »Jetzt bist offenbar du diejenige, die plötzlich auf geheimnisvoll macht, wie?«
»Ach, was soll’s, sonst weiß es ja auch jeder«, seufzte Julia. Sie beschloss, Sabine die Geschichte zu erzählen, bevor es jemand anderes tat, und war sogar irgendwie froh, dass die damaligen Ereignisse offenbar kein wiederkehrendes Tagesgespräch im Präsidium waren.
»Vor ein paar Jahren, es war vor deiner Zeit bei uns, da hatten wir es mit einer Mordserie zu tun – vielleicht sagt dir ja der Name ›Ripper‹ sogar etwas.«
»Jack the Ripper?«
»Genau«, nickte Julia schnell, »nur, dass es sich dabei um die Fortsetzung der damaligen Prostituierten-Morde in London zu handeln schien. Der Ripper, wie wir ihn bald nannten, war ein perverses Schwein, und ein erbärmliches Würstchen noch dazu, er sendete mir E-Mails mit den Fotos seiner ausgeweideten Opfer, grauenhaft, kann ich dir sagen.«
»Ich glaube, jetzt erinnere ich mich«, kombinierte Kaufmann. »E-Mails, Computerabteilung, ein Mörder aus den eigenen Reihen … Das ging damals um wie ein Lauffeuer.«
»Obwohl wir alles versucht haben, es weitgehend aus der Öffentlichkeit zu halten«, ertönte eine tiefe Männerstimme, und die beiden Frauen zuckten zusammen. Julias Herz schlug bis zum Hals, bis sie die Person erkannte, die hinter ihnen mit einem dampfenden Becher Kaffee in der Hand aus einem kleinen Nebenraum auf den Gang getreten war.
»Mann, haben Sie mich erschreckt«, entfuhr es Julia, als sie sich wieder gefasst hatte.
»Tja, der Name ist eben Programm«, grinste Herr Schreck und streckte die Hand mit einem Augenzwinkern in Sabines Richtung aus. »Wir wurden uns noch nicht vorgestellt, angenehm, Schreck, Computerforensik. Tut mir leid, ich habe nur zufällig mitbekommen, worüber Sie sich unterhalten haben.«
»Kaufmann, Sabine Kaufmann«, erwiderte Durants Kollegin mit einem warmen Lächeln. Neidisch registrierte Julia, dass Sabine sich weitaus schneller gefangen hatte als sie selbst, nun, immerhin hatte Schrecks ehemaliger Kollege sich ja auch nicht vor ihren Augen das Hirn weggepustet.
»Kommen Sie deshalb so ungern zu uns?«, fragte Schreck, als hätte er ihre Gedanken erraten.
»Jetzt bin ich
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