Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
zahlreiche Funknetzwerke existieren. Ein Router mit Funkmodul steht ja beinahe in jedem Haushalt, und viel zu oft werden nur simple Passwörter vergeben oder schlimmstenfalls gar keines. Man muss kein Profi sein, um sich da einzuloggen, die Beweggründe können vielfach sein.«
»Zum Beispiel?«
»Datenklau, das wohl in erster Linie«, überlegte Schreck, »und dann natürlich die Verschleierung der eigenen Person. Die sicherste Methode, unerkannt auf illegalen Seiten zu surfen, ist es, sich bei jemand anderem einzuloggen. Huckepack sozusagen, besonders die Besuche in den Portalen der Kinderpornographie werden gerne über diese Wege erledigt. Wer weiß schon, wer heutzutage alles mitliest.«
Offenbar noch immer nicht genügend wachsame Augen, dachte Julia zerknirscht.
»Okay, kommen wir zum PC«, fuhr Schreck fort. »Hier war Bertram sehr ordentlich, das muss man ihm lassen. Leider bedeutet das für uns: warten, warten, warten.«
»Worauf warten wir genau?«
»Darauf, dass unsere Entschlüsselungssoftware die Archive knackt, die er akribisch angelegt hat. Beten Sie schon mal, dass er nicht für jeden Unterordner ein eigenes Zufallspasswort kreiert hat. Dann sitzen wir wohl noch bis Weihnachten dran.«
»Verdammt«, entfuhr es Sabine Kaufmann. »Von welchem Zeitraum sprechen wir denn?«
»Drei Tage Minimum«, gestand Schreck.
»Das darf doch nicht wahr sein«, entfuhr es Julia.
»Tut mir leid, aber jede andere Prognose würde falsche Hoffnungen wecken, die wir dann hinterher nicht erfüllen könnten. Ich kann das übers Wochenende durchlaufen lassen, kein Problem«, fügte er hinzu, »aber Zaubern können wir nicht.«
»Dann ist das eben so«, warf Sabine beschwichtigend ein. »Sehen wir uns also noch die neue Videosequenz an.«
»Ja, gerne.« Schreck bewegte die Maus, der Bildschirm baute sich auf, und Julia erkannte einige Fenster, deren Inhalt sie nicht verstand. Das Design sah völlig anders aus als auf Bergers PC und ihrem eigenen Laptop, vermutlich hatte Schreck ein völlig anderes System. Noch immer enttäuscht, wie wenig der Besuch in der Computerforensik letzten Endes gebracht hatte, beobachtete die Kommissarin ihren attraktiven Kollegen beim schnellen Klicken und Tippen. Seine Haare dufteten angenehm, nicht nach Stylinggel oder billigem Haarspray. Konnte es sein, dass er Parfüm aufgetragen hatte? Für ein Kellerkind, verloren in der unteren Etage des Präsidiums, machte Herr Schreck wahrlich eine gute Figur. Manch einer der Kollegen aus den höheren Etagen könnte sich davon mal etwas abgucken, dachte Julia mit einem kurzen Lächeln. Dann drehte Schreck am Regler des Lautsprechers, einer anthrazitfarbenen, zwanzig Zentimeter hohen Box, die rechts vom Monitor plaziert war, und richtete den Zeigefinger auf.
»Voilà«, sagte er, als der Mediaplayer den Film wiedergab.
Fassungslos starrten Julia Durant und Sabine Kaufmann auf das Video, dessen Qualität auf dem großflächigen Bildschirm zwar etwas weniger scharf war – dafür in diesem Format umso beklemmender. Der rückwärtslaufende Zeitindex verriet, dass es sich nun um fast eine Minute Filmmaterial handelte.
Julia hatte sich ursprünglich darauf konzentrieren wollen, welche Szene sie bereits kannte und was neu war, doch dann drang die Musik aus dem Lautsprecher:
… and when she gets there
she knows if the stores are closed
with a word she can get what she came for
and she’s buying a stairway to heaven …
Freitag, 11.21 Uhr
N a, Sie haben sich ja Zeit gelassen«, sagte Klara von Diethen spitz und fügte mit gerümpfter Nase hinzu: »Wir haben für halb eins einen Tisch im Golfclub bestellt, und ich komme ungern zu spät.«
»Tut mir aufrichtig leid«, entschuldigte sich Kullmer und verbarg dabei geschickt seine schlechte Laune. Vor etwa einer Stunde hatte Doris an seinem Platz ein Gespräch angenommen. Es war Klara von Diethen, jene penetrante Nachbarin der Bertrams, die wahrscheinlich den ganzen Tag am Fenster hing – aber eher würde die Hölle einfrieren, als dass sie das zugäbe.
»Seidel, Apparat Kullmer«, war Doris’ Begrüßung gewesen.
»Ich möchte Herrn Kullmer sprechen«, hatte von Diethen gefordert.
»Herr Kullmer ist gerade nicht am Platz, Sie müssen leider mit mir vorliebnehmen.«
»Kommissar Kullmer hat gesagt, ich solle ihn anrufen, wenn mir noch etwas einfallen würde. Wenn ich nur die 110 anrufen sollte, hätte er mir wohl nicht seine Karte gegeben.«
»Ich bin seine Partnerin«, hatte Doris
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