Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Bild und blendete über zu Adriana Riva, die röchelnd in ihrem Krankenhausbett lag, um den Hals ein brauner Ledergürtel, die Augen quollen ihr aus dem Schädel, verzweifelt und um Hilfe flehend streckte sie die Hände nach Julia aus. Doch Julia vermochte sich ihr nicht zu nähern, sie wollte rennen, immer größere Schritte machen, doch es war, als befände sie sich in einem langen Tunnel, der mit jedem Schritt nach vorne ein Stück länger wurde. Im Hintergrund dröhnte verwaschen hallend, so als hörte man Radio auf voller Lautstärke in einem engen Badezimmer, Wagners Walkürenritt, gespielt allerdings nicht von einem klassischen Orchester, sondern von einer Hardrock-Band, also schnell, laut und mit verzerrten Instrumenten. Als Julia mit letzter Kraft einen Sprung nach vorn wagte und tatsächlich einen Zipfel der Bettdecke zu fassen bekam, sackte der Kopf des Mädchens mit erloschenem Blick zur Seite.
Schweißgebadet schreckte die Kommissarin auf und tastete nach dem Lichtschalter. Ihr Atem ging schnell, sie hatte Angst zu ersticken, schnell, wie ging noch mal die Übung?
Ich bin ganz ruhig.
Ich bin ganz ruhig.
Dann noch einmal und ein viertes Mal und ein fünftes und ein sechstes.
»Das Schlimmste dabei ist das Liegen«, hatte Julia Alina einmal eingestanden. »Du liegst da, verspannt, wenn nicht sogar panisch, spürst das Herz in der Brust hämmern und manches Mal den eisernen Griff um den Brustkorb. In so einer Situation die Hand auf das Zwerchfell zu legen und sich vorzubeten, dass der Puls gleichmäßig, die Stirn kühl und die Atmung ruhig seien, ist ganz schön viel verlangt.«
»Deshalb übt man es ja auch in Zeiten, in denen man sich gut fühlt«, hatte ihre Freundin geduldig geantwortet, und Julia hatte vermutet, dass sie diesen Punkt schon dutzendfach mit ihren Patienten besprochen hatte. »Je routinierter man ist«, hatte Alina weiter erläutert, »desto leichter nimmt der verkrampfte Körper die Übung an, weil man im Inneren ja weiß, dass sich dadurch eine angenehme Verbesserung einstellen wird.«
»Und Glaube versetzt nun mal Berge, ich weiß«, war Julias flapsige Reaktion gewesen, obgleich sie es überhaupt nicht so gemeint hatte. Alinas Antwort kam prompt: »Ja, das tut er allerdings. Man muss ihn nur lassen. Aber vielleicht hilft es dir, wenn ich dir harte Fakten liefere, Untersuchungen zum Beispiel, die unwiderlegbar beweisen, wie nachhaltig sich Entspannungstechniken auf das psychische und physische Wohlbefinden auswirken.«
Eine gute halbe Stunde nach ihrem panischen Aufschrecken – Julia hatte sich längst wieder unter Kontrolle, an Schlaf war jedoch nicht mehr zu denken – hörte sie das Handy vibrieren. Samstag und noch nicht einmal halb sieben, dachte sie kopfschüttelnd und gähnte herzhaft. In eine dünne beige Stoffdecke gewickelt, kauerte Julia mit angezogenen Beinen auf der Couch, im Hintergrund begann gerade das Frühstücksfernsehen. Vorher hatte sie ausgiebig geduscht, auf dem Tisch dampfte nun eine frische Schale Café au Lait.
»Weniger Koffein, mehr Milch, du wirst schon sehen, es wird dir guttun.« Die Kommissarin hatte Susannes Worte berücksichtigt, eine Teetrinkerin jedenfalls würde sie nie werden, aber wenn es der inneren Ruhe dienlich war, dann begann der Tag eben mit einer etwas weniger starken Mischung. Wahrscheinlich habe ich bis um zehn meine vierte Portion intus, dachte die Kommissarin, als sie sich aufrappelte und barfuß ins Schlafzimmer schlurfte, wo sie am Vorabend ihr Handy abgelegt hatte.
»Ich habe Berger jedenfalls nie um diese Zeit rausgeklingelt«, begrüßte sie ihren Gesprächspartner unwirsch, »und schon gar nicht am Wochenende.« Es war Frank Hellmer, mit ihm konnte sie so reden.
»Warum soll’s dir besser gehen als mir? Ich habe meinen Anruf jedenfalls beim ersten Mal angenommen und nicht zweimal ignoriert.«
»Wie, hast du’s schon mal versucht?«, fragte sie entgeistert.
»Sag ich doch.«
»War schon unter der Dusche, frag nicht, wieso, sondern sag mir lieber, was es so Dringendes gibt. Habt ihr den BMW oder diesen Engländer?«
»Viel besser«, tönte Hellmer. »Nun, na ja, eigentlich darf man das nicht so sagen. Denn in Wirklichkeit ist es keine gute Nachricht, sondern eher eine schlechte. Wir haben Bertram.«
»Ihr habt Bertram? Super, ich bin in zehn Minuten …«
»Spar dir die Eile«, unterbrach Hellmer sie forsch. »Alexander Bertram läuft uns nicht mehr weg.«
Samstag, 7.10 Uhr
D er Morgen war diesig, die
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