Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
erinnern, das haben sie alle gemeinsam.«
»Ja, das ist mir nicht entgangen. Wie steht es um die Frauen? Sind die noch im Krankenhaus?«
»Nein.« Hellmer schüttelte den Kopf. »Alle vier befinden sich schon in Preungesheim in U-Haft, wobei Adriana Riva erst heute früh dorthin überstellt wurde. Da stand noch irgendein Befund aus. Zu ihr wollte ich übrigens dann mit dir zusammen fahren.«
»Oh, welche Ehre«, erwiderte Julia lakonisch. »Ich bekomme tatsächlich mal etwas von den Ermittlungen mit.«
»Mensch, jetzt übertreibe es nicht. Was hältst du davon, wenn ich uns einen wunderbaren Kaffee holen gehe, Qualitätsmarke Automatengesöff, und du liest noch die restlichen Infos? Danach brechen wir in aller Ruhe auf, die Riva läuft uns ja nicht weg.«
»Meinetwegen«, nickte sie, dann hob sie fragend den Kopf: »Was machen eigentlich die anderen?«
»Doris trifft sich mit Andrea Sievers und Professor Bock. Die sind ganz schön am Rotieren angesichts der Masse an Spuren, aber es ist wohl ein Ende in Sicht. Na, und Kullmer«, Hellmer gluckste, »durfte mit Sabine on Tour gehen. Da hat er sich mal einen vernichtenden Blick von seiner Herzensdame eingefangen, als er Sabine hocherfreut den Arm anbot.«
»Der alte Schwerenöter«, grinste Julia mit leichtem Kopfschütteln. »Da wird heute Abend der Haussegen schief hängen. Manche Dinge ändern sich nie.«
»Er hat ja nur Spaß gemacht, du weißt doch, wie er ist«, verteidigte Hellmer seinen Kollegen. »Große Klappe, aber nichts mehr dahinter. Der ist seiner Doris doch mit Haut und Haaren verfallen.«
Er wandte sich um und verließ den Raum, beim Hinausgehen zog er das Portemonnaie aus der Gesäßtasche. Julia verharrte schweigend und erinnerte sich an Peter Kullmers erste Monate im Präsidium. Wer damals weiblich, einigermaßen ansehnlich und nicht bei drei auf den Bäumen war, dem hatte dieser Macho flugs das Herz gebrochen. Aber nicht ihr. Julia hatte seinem Werben stets die kalte Schulter gezeigt, und heute war ausgerechnet er es, der eine harmonische Beziehung führte, so wie sie selbst es wohl nie erleben würde. Ein Seufzer entfuhr ihr, und sie war heilfroh, dass sie wieder allein im Raum war. Danach widmete sie sich der beklebten Wand.
Ein weiteres Poster hing rechts neben den Papierbahnen. Auf ihm waren persönliche Daten des Opfers notiert, außerdem das auf A4 vergrößerte Foto, welches auch in der »Bild« zu sehen gewesen war, und einige Informationen über Jennifers Familie in Kanada. Ach ja, die Familie, wer hat sich da eigentlich darum gekümmert? Julia Durant seufzte leise. Das war wieder so ein Punkt, von dem sie nichts erfahren hatte. Aber in diesem Fall wohl auch kein beneidenswerter Job, ahnungslosen Eltern am Telefon die Nachricht zu überbringen, dass ihre Tochter missbraucht, misshandelt und schließlich ermordet worden war.
Auf der Tafel neben der Tapete war mit schwarzem Marker der Name Alexander Bertrams notiert, darunter in Stichpunkten sein Alibi. Eine Kopie seiner Fahrkarte sowie ein Verweis auf die Zeugenaussagen der Eltern und das Schließsystem der Villa waren enthalten. Ein Foto gab es nicht. Mit einem grünen Klebezettel war der Informatikstudent als unverdächtig markiert worden. Grund war das für die Tatzeit vorliegende Alibi der Eltern, welches durch die vorliegende Fahrkarte und das Sicherheitsprotokoll des Schließsystems gestützt wurde. Außerdem hatte man keinen einzigen Fingerabdruck von ihm in der Nähe des Opfers gefunden. An einem Longdrink-Glas und zwei Flaschen, außerdem auf der Tischplatte in der Nähe eines Aschenbechers hatte er Abdrücke hinterlassen, aber keinen einzigen in Jennifers Zimmer. Das Drogenscreening war negativ.
Hellmer betrat den Raum, als Julia sich gerade wieder vor die anderen vier Personenprofile gestellt hatte und ihren Blick nachdenklich zwischen den Bahnen hin und her springen ließ.
»Kaffee«, tönte er laut und näherte sich langsam. Julia verharrte noch einen Moment, dann nahm sie auf dem nächstbesten Stuhl Platz. Überall im Konferenzzimmer waren trapezförmige Tische verteilt, die man je nach Bedarf zu langen Bahnen oder großen Flächen kombinieren konnte. Durch ihre schiefen Kanten waren auch mehreckige Variationen möglich, durchaus ein großer Fortschritt, wenn man die beengten Möglichkeiten der alten Wache noch so gut in Erinnerung hatte wie Julia Durant. Hellmer balancierte zwei braune, dampfende Plastikbecher durch den Raum und stellte sie schließlich vor ihr auf
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