Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Taschen fahren konnte, piepte es erneut.
»Es ist dort drinnen«, entfuhr es Sabine, und sie deutete aufgeregt in den ausgeräumten Schrank. »Ich krabbel da jetzt rein, das gibt es ja gar nicht, wir sind doch keine Anfänger!«
Sie bückte sich, Kullmer beobachtete sie angespannt, und ihm entging dabei nicht, dass Sabine Kaufmann ein äußerst knackiges Hinterteil präsentierte. Konzentration, rügte er sich. Seine Kollegin setzte ihre Hände ins Innere auf den Holzboden, schob den Oberkörper hinein und fummelte dann ihr Handy hervor.
»Da brauchst du einmal eine Taschenlampe«, hörte Kullmer sie schimpfen, als das großflächige Display ihres Telefons aufglomm und das Schrankinnere in einen bläulichen Schimmer tauchte. »Na ja, fürs Erste langt es auch so.«
»Soll ich noch mal ans Auto gehen?«
»Nein, geht schon«, keuchte sie. »Der Boden ist genauso picobello wie der Rest des Zim … Moment mal!« Kaufmanns Stimme bekam einen energischen Klang.
»Was ist denn?« Kullmer zwängte sich neben das Hinterteil seiner Kollegin und versuchte, einen Blick zu erhaschen. Kaufmann drehte sich zu ihm und deutete mit dem Finger auf die Rückwand.
»Sieh mal hier.« Sie klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers über das dunkle, unebene Holz. Es klang dumpf, aber nicht außergewöhnlich.
»Was meinst du?«
»Warte.«
Sabine klopfte weiter und wechselte immer wieder die Position. Tatsächlich erkannte Peter nun einen unterschiedlichen Klang. Ein absurder Gedanke huschte vorbei, als ein erneutes Piepen die beiden Kommissare aufschreckte. Beinahe wäre Sabine mit dem hochschnellenden Kopf gegen Peters Kinn gestoßen. Der Ton war eindeutig näher und klarer, aber dennoch wie aus weiter Ferne. Noch bevor Peter Kullmer sich den Kopf darüber zerbrechen konnte, wie unwahrscheinlich es wohl wäre, dass sich hinter dem Wandschrank ein verborgener Raum befände, stieß Sabine Kaufmann die Luke zu Alexander Bertrams geheimem Zimmer auf.
Donnerstag, 11.40 Uhr
S ie befanden sich alle in Bergers Büro, ausgenommen Frank Hellmer, den Julia Durant entgegen seines Widerstands nach Hause geschickt hatte.
»Du kannst ja später mal anrufen«, war ihr entgegenkommender Vorschlag gewesen, als sie ihren Wagen auf dem Parkplatz des Präsidiums abstellte. »Ich schick dir meinetwegen auch eine E-Mail. Aber wage ja nicht, vor morgen früh hier wieder aufzutauchen!«
Hellmer hatte sich längst geschlagen gegeben, müde genug war er allemal.
»Okay, ich habe verstanden, du bist der Boss.«
Dann hatte er die Beifahrertür des kleinen Peugeot zufallen lassen und war direkt zu seinem BMW getrottet, das war etwa zwanzig Minuten her.
Nach einem Blick auf die Uhr entschied Julia, dass sie Andrea Sievers wenigstens noch bis um zwölf Uhr Zeit geben sollte, und selbst das war vermutlich noch viel zu kurzfristig. Professor Bock hatte bestimmt Zeter und Mordio geschrien, als seine abgebrühte Kollegin die Einzelteile des Mädchens in der Rechtsmedizin ausgepackt hatte. Vermutlich direkt neben ihrer Brotdose, dachte Julia trocken, aber nein, selbst Andrea Sievers hatte ihre Grenzen. Extreme Berufe erfordern eben entsprechenden Stressabbau, das wusste die Kommissarin ja selbst allzu gut. Entweder wurde man sarkastisch, oder man stumpfte auf andere Weise ab, aber solange Andrea einen exzellenten Job machte, und das tat sie für gewöhnlich, konnte Julia mit ihren exzentrischen Seiten gut leben. Mit Professor Bocks launenhaften Ausbrüchen hatte sie sich ja auch längst arrangiert.
»Okay, eines noch«, schloss die Kommissarin ihren Bericht, »der anonyme Anruf konnte einem Anschluss im selben Haus zugeordnet werden. Es handelt sich ebenfalls um eine junge Frau; vermutlich eine Freundin des Opfers, die aus irgendwelchen Gründen im Hintergrund bleiben möchte. Ihre Stimme auf dem Band klingt besorgt, daher diese erste Einschätzung. Die Hintergründe überprüfen wir später vor Ort. So weit fürs Erste, ich weiß, es ist abscheulich und krank, aber wir müssen jetzt unbedingt am Ball bleiben.« Julia Durant ließ ihren Blick langsam über die Gesichter ihrer Kollegen wandern. Doris war kreidebleich, blieb aber regungslos auf ihrem Stuhl sitzen, Peter hatte den Arm um sie gelegt. Sabine sah ins Leere, stellte sich vermutlich vor, wie es am Tatort ausgesehen haben musste. Es dauerte eine Weile, bevor jemand etwas sagte, und es war Peter Kullmer, der das Wort ergriff.
»Mensch, so ein Gemetzel hatten wir lange nicht.«
»Allerdings«,
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