Todesmuster
aufgemotzter BMW mit lauter Türkenmusik, die Scheiben biegen sich fast nach außen. Grün. Das Handy. Ernst.
»Kirchenberg.«
»Funk. Wir sind beim Kollegen Trimm. Bist du in der Nähe …?«
»In der Nähe nicht, aber ich kann in zwanzig Minuten da sein.« Dann eben etwas später ins Krankenhaus.
»Gut. Der hatte heute einen anonymen Zettel im Briefkasten, könntest du dir mal ansehen.«
»Bin gleich da.«
Am besten wenden. Im Radio Rod Stewart, The first cut is the deepest. Das war von Cat Stevens besser. Auf zwei Frau Turner, Steamy Windows, was ist denn heute wieder los? Dann lieber Klassik.
Vor Trimms Haus immer noch Mulchgeruch. In zwei Meter Abstand ist der Summer zu hören, aufmerksames Kerlchen. Die drei sitzen im Dienstzimmer, der Kaffee dampft. Trimm in Uniform.
»Hallo, da bin ich.« Rebecca zeigt auf den Zettel, die Rechte im Leichenhandschuh.
»Meine sind leider drauf, aber auf dem Umschlag stand auch nur Polizeiposten. Muss heute Morgen ganz früh eingeworfen worden sein, lag nämlich bei der Post ganz unten.« Trimm bedauert ehrlich. »Ich war um zwölf hier.«
»Schon gut, kann man ja nicht ahnen.«
»Wir haben schon den Nachbarn befragt, der hat nichts gesehen, also vermutlich wirklich ganz früh, vielleicht als es noch dunkel war.« Ernst, schon wieder mit Zigarillo.
DIN-A-4, kariert, zerrissene Perforation an der Seite, Druckschrift mit Kugelschreiber.
Sehen Sie sich mal Thomas Walcher an, Zum Grund 58. Der hat Dreck am Stecken. Der ist auch immer abends oben im Wald mit Rucksack. Der hat Dreck am Stecken.
Der ist sowieso verrückt. Dem ist alles zuzutrauen. Der
ist nicht ganz dicht im Kopf.
»Gibt’s den?«
»Den gibt’s. Über Polas ist er negativ.« Ernst drückt den Zigarillo aus. Da war doch gestern was.
»Aber bei den Spuren von gestern ist ein Hinweis von einer Autofahrerin, die hat mal abends unten auf der Straße einen Mann mit Rucksack gesehen. Soll aber schon ein paar Wochen her sein.«
»Hab ich heute Morgen auch gelesen, genau den hatte ich im Kopf.« Ernst ist echt auf dem Laufenden. Trimm sieht die Aufforderung, hebt die Schultern.
»Tut mir auch Leid, ich kann zu dem nichts sagen. In der kurzen Zeit kenne ich hier natürlich noch niemanden.«
»Okay. Trotzdem fühlen wir dem mal auf den Zahn. Ist das der Bereich, den ihr abgegrast habt die letzten Tage?« Beide nicken.
»Der Hof liegt ziemlich einsam nach Nordwesten raus. Wenn man nicht die Straße nimmt, kommt man von da sogar relativ unbemerkt in den Wald, sind zwar so anderthalb Kilometer, aber bei Dunkelheit …«
»Gut, macht ihr das. Ich nehme den Zettel mit, soll Beckmann den mal Montag abpinseln.«
Rebecca faltet einhändig zusammen, steckt ihn in den Umschlag. Aufmerksam. Die ist ’ne Gute. Sie grüßen, bis heute Abend.
Mit Rucksack oben im Wald …
15 Uhr 32
Diese Flure. Was hat der Sanjassin gesagt? Innere eins? Noch eine Treppe runter. Neurochirurgie rechts, Innere eins links. Der Flur glänzt leer, irgendwo hinten Geschirrgeklapper und hemmungsloses Lachen, wird unterdrückt. Früher hingen hier doch immer solche Belegungspläne. Fehlanzeige. Aus 212 wieselt eine Thailänderin mit Pillentablett, kleine schnelle Schritte, warmherziges Lächeln im Vorbeigehen.
»Guten Tag, Kirchenberg ist mein Name. Man sagte mir, meine Mutter sei nach hier verlegt worden, Christine Kirchenberg.«
»Ja, heute Morgen.« Mit ganz leichtem Akzent. »Zimmer 218.«
» Danke.«
Klopfen. Nichts zu hören. Vorsichtig. Das erste Bett ist leer, sie wendet den Kopf, sieht ohne Gruß wieder zum Fenster. Was ist los?
»Hallo?« Langsam näher ran, einmal die Hand drücken, keine Antwort. Neben der Nase glänzt es feucht, sie versucht es mit einem zerknüllten Tempo zu kaschieren. Hat die irgendwas Furchtbares vom Arzt erfahren? Stille. Sie atmet tief, dreht den Kopf wieder, blickt sorgenvoll und … fremd. Diese Augen.
»Na, Großer.« Oh, kräftige Stimme. Viel kräftiger als gestern.
»Alles in Ordnung?«
Sie schließt die Augen, nickt mit einem Seufzer. Aus dem linken Auge löst sich eine Träne, verlässt die übliche Bahn, verfängt sich in einer Falte.
»Sieht aber gar nicht so aus.«
Kaum wahrnehmbares Schulterzucken, sie schlägt die Augen wieder auf, wieder der fremde Blick, lang und fest.
»Ich war fast tot, nicht wahr?«
Was? »Ich weiß es nicht, Mutter. Alles, was die Ärzte uns sagten, war, dass du im Notarztwagen eine Herzrhythmusstörung hattest. Aber das hörte sich nicht so
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