Todesmuster
mal an mich denken, da bin ich nämlich für sechs Wochen nicht zu erreichen, es sei denn, Sie versuchen es in Australien. Aber darüber wollte ich gar nicht mit Ihnen reden. Nur eine kurze Information zwischendurch. Bei etwas näherer Untersuchung des Schotters haben wir Knorpelgewebe gefunden. Nicht viel, aber immerhin.«
»Das heißt …?«
»Das heißt, die Verletzungen sind zumindest so tief, das Knorpelmasse angegriffen werden konnte. Also z. B. beim Durchtrennen von Gelenken.«
»Wir können also davon ausgehen, dass er die Leiche dort zerteilt hat?«
»Zumindestens nicht unwahrscheinlich.«
»Danke, Frau Doktor. Wichtiger Hinweis, hilft uns weiter.«
»Wiederhören.«
War klar. Also in mehreren Gängen. Plastiktüten? Rucksack? So, wo waren wir?
Durch Rückschlüsse aus Witterungseinflüssen auf Spuren außerhalb des eigentlichen Tatortes geht die Polizei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Leiche zwischen Dienstag, dem 14.09. und Donnerstag, dem 16.09., vermutlich mit einem Kraftfahr zeug, vom Tatort weggeschafft wurde.
Bei der Beantwortung folgender Fragen bittet die Polizei die Bevölkerung, namentlich in der Umgebung des Tat ortes, dringend um Mithilfe:
- Wer hat vor Donnerstag, dem 16.09., am Tatort oder im Bereich der umliegenden Gebiete Personen oder Fahr zeuge beobachtet?
- Gibt es Personen, die seit etwa zwei Wochen nicht mehr gesehen wurden und für deren Verschwinden es keine nahe liegende Erklärung gibt?
- Hat es auch in der weiter zurückliegenden Vergangenheit im Bereich des Tatorts Vorfälle gegeben, die un gewöhnlich sind?
- Gibt es Hinweise auf Personen, die sich, auch in der weiteren Vergangenheit, auffallend verhalten haben oder am Tatort gesehen wurden?
Hinweise bitte an die unten aufgeführte Telefonnummer der Kripo oder an jede Polizeidienststelle.
Zumindest deutlich. Ganz ansprechend. Hoffentlich nicht zu viele tote Hinweise.
Telefon.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
»Hier ist Frau Gierth, Morgen, Herr Kirchenberg.«
Wie klingt die denn? »Frau Gierth, kann ich was Dienstliches für Sie tun.«
»Nein, nichts Dienstliches. Ist aber trotzdem ein Notfall, sonst würde ich Sie auch nicht auf der Dienststelle belästigen. Ich habe seit heute Nacht einen furchtbaren Hexenschuss und kann mich kaum bewegen, schon gar keine Treppen laufen. Könnten Sie mir auf dem Heimweg etwas Milch und ein halbes Pfund Hackfleisch mitbringen.«
»Natürlich. Aber …«
»Ist mir fast peinlich, aber es ist ein Notfall. Frau Grönegress ist bei ihrer Schwester, und die Waltraud liegt auch krank zu Hause. Sie sind meine letzte Rettung.«
»Ich hab’s schon notiert, Frau Gierth, kein Problem. Aber soll ich nicht lieber den Arzt bestellen? Der gibt Ihnen eine Spritze, meiner Mutter hilft das immer.«
»Arzt ist was für alte Leute. Man darf gar nicht erst anfangen, seine Krankheiten ernst zu nehmen, das ist der Anfang vom Ende.«
»Na, gut. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie jederzeit an. Sie haben ja auch meine Handynummer.« Hackfleisch und Milch. Und ein Rheumapflaster, dagegen kann sie sich nicht wehren.
Ein dicker Brummer dreht große Runden um die Lampe, mit leichtem Knall vor die Scheibe, daddelt weiter. Blödes Vieh. Nächster Versuch, wieder eine Runde, vor die Scheibe. Klappt auch nicht mit Anlauf. Er setzt sich auf die Fensterbank, plötzlich Stille. Na, von welcher Leiche kommst du denn?
Vorfreude. Schon den ganzen Tag. Heute Abend wieder. Über die Felder in den Wald, umsehen, keine Jogger, keine Kinder, niemand. Alles still, keinen Lärm machen. Ein Ast knackt, verdammt. Vor dem Tor warten, horchen, nichts. Das Schloss schnappt auf, schnell rein und zu. Da bin ich wieder. Heute ist Abschied. Habe den Werkzeugkasten dabei, siehst du? Na, nicht treten, auch wenn’s wehtut. Mit dem Messer durch die Muskeln, da sind die Gelenke. Gott, sind die Sehnen fest. Dumpfe Schreie, Rotz gurgelt neben dem Knebel nach draußen. Diese Sehnen. Aber ich habe ja den Seitenschneider dabei …
»He.« Rebecca tippt auf die Schulter. »Nicht vom Urlaub träumen!« Ernst steht in der Tür, Aktentasche unter dem Arm.
»Wir sind draußen. Erst in der Stadt bei einigen Autohändlern wegen der Identifizierung des Fahrzeugtyps, dann in Ingsen.«
»Alles klar.« Sie gehen.
Der Brummer scheppert wieder vor die Scheibe. Das nervt. Einmal das Fenster ganz auf. Die Gardinen bauschen kurz auf, der Verkehrslärm wird lauter. Geklapper, auf dem Marktplatz werden
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