Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
ausbreitete.
30
Im scharlachroten Schein der Armaturenbeleuchtung starrte Haugen verblüfft auf das Telefon. Ratner. Was für eine Frechheit. Die Galle kam ihm hoch.
Draußen tobte inzwischen ein heftiges Gewitter. Er nahm alles wie durch einen puslierenden, pissgelben Nebel wahr. Ratner war der Mitarbeiter von Edge Adventures, der am Strand von Candlestick Point gewartet hatte – der Neuling, den er nicht deutlich ins Visier bekommen hatte. Ratner. Was für eine dreiste Unverschämtheit.
Sabine und Stringer saßen da wie Crashtest-Dummys, völlig benommen und unsicher, wie sie reagieren sollten.
Haugen schob Sabine das Handy hin. »Ruf Von an. Sag ihm, wir haben einen Freelancer, der die Operation kapern will.«
Sie wählte die Nummer. »Ratner hat einen Vorsprung vor uns.«
»Sag Von, er soll ihn bei der ersten sich bietenden Gelegen heit eliminieren.« Er legte einen höheren Gang ein und drückte das Gaspedal durch. »Und er kann alle außer Autumn liquidieren. Er soll nicht mehr damit warten, bis wir ankommen. Sobald er einen sieht, weg damit. Er muss alles daransetzen, Autumn so schnell wie möglich in seine Gewalt zu bringen.«
Sie drückte sich das Telefon ans Ohr. Haugen trieb den Volvo noch schneller voran.
E rschöpft joggte Jo auf dem Weg dahin. Inzwischen war es schon fast ganz dunkel. Der Wind fuhr durch die Kiefern und schleuderte ihr den Regen in heftigen Stößen entgegen.
Warum hatte Kyle Dustin und den Rancher umgebracht? Wie aus dem Nichts hörte sie wieder die unheimliche Stimme auf Phelps Wylies Handy, die dem Anwalt Strafe androhte.
Sie musste davon ausgehen, dass Kyle Wylie getötet und seine Leiche in die verlassene Mine geworfen hatte. Aber wie war Edge Adventures darauf verfallen, ausgerechnet ihn dafür zu engagieren, Autumns Kindheitsbegegnung mit dem Bösen Cowboy nachzuspielen?
Wer war dieser Typ, verdammt noch mal?
Und wenn er jetzt zum Haus des Ranchers marschierte, was wollte er dort? Geld, ein Telefon, ein Fahrzeug? Kyle hatte den Rancher und Dustin skrupellos über den Haufen geschossen. Sie musste an den Schnappschuss in der Brieftasche des Ranchers denken: die Frau, die lachenden Kinder. Bei dem Gedanken wurden ihre Schritte wieder schneller.
Plötzlich schälte sich weiter vorn aus dem Grau ein orange farbener Schein. Flackernd brandete er in die Höhe und beleuchtete die Kiefernstämme. Ein Feuer, ein großes Feuer.
Durch das Fauchen des Windes und das Prasseln des Regens hörte sie einen Motor und duckte sich sofort hinter die Bäume. Der Motor klang laut und schwer – ein Pick-up. Scheinwerfer zuckten durch den Wald, und schon ratterte der Wagen über den unebenen Viehweg direkt in Jos Richtung.
Rasch wich sie tiefer in die Bäume zurück und drückte sich flach auf den Boden. Die Scheinwerfer rückten immer näher. Schließlich kamen die schiefen Lichter eines uralten Chevys in Sicht. Mit ächzender Aufhängung schaukelte die rostige Karre über die tief eingegrabenen Furchen im Weg. Sie schoss an Jo vorbei und fuhr weiter.
Dann erblühte der Feuerschein blitzartig zu hellem Orange, und der Boden erbebte. Unmittelbar darauf folgte dumpf und hart der Knall der Explosion.
Jo rappelte sich hoch. Im Schutz der Bäume lief sie auf das Feuer zu. Bald erkannte sie ein brennendes Ranchhaus. Ein pechschwarzes Gerüst, aus dem grell gelb und rot die Flammen schlugen und aus dessen Dach schwarzer Rauch quoll.
Jede Hoffnung, hier auf Menschen, ein Telefon oder gar Hilfe zu treffen, war damit zerschlagen. Rufend umrundete sie das brennende Gebäude und betete, dass niemand darin eingeschlossen war. Sie erhielt keine Antwort.
Die brennende Garage war leer. Kein Auto, kein Motorrad, kein Fahrrad. Und die unbefestigte Auffahrt wand sich tief in den Wald – das Haus war weit von der Forststraße entfernt. Das hieß, sie war noch immer von der Zivilisation abgeschnitten.
Nach einer Runde um das Gebäude hielt sie mit bebenden Schultern an, den Tränen nahe. Die Hitze wurde immer mehr zu einer Wand, die gegen ihren Körper drückte. Sie fühlte sich an wie Leben und Tod zugleich. Das Prasseln des Feuers wurde zu einem Brausen, das alles andere übertönte.
Bis sie ein verängstigtes Wiehern hörte.
Sie fand das Pferd des Ranchers in seinem Pferch. Ängstlich wich es vor den Flammen zurück, zu desorientiert, um zum offenen Gatter zu laufen.
D er Wind peitschte den Regen gegen die Seite des Hummer. Lark kam vom Flussufer zurückgehuscht und schob sich durch das
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