Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
überschwemmt. Das Pferd schnaufte schwer. Sie beugte sich vor, um sich möglichst straff an den Hengst zu drücken. Sie preschten über das Gelände, und die Mähne peitschte ihr ins Gesicht.
Die Scheinwerfer warfen den Schatten des Hengstes vor Jo bis zum Stacheldraht, der ihr regennass entgegenschim merte.
Dann verlangsamte der Pick-up seine Fahrt, und die Lich ter scherten in einem rüttelnden Doppelkegel nach rechts durch die Nacht. Jo stieß einen Schrei der Verzweiflung aus.
Kyle hatte den Zaun bemerkt. Er wusste, dass sie nach rechts musste, und war zuerst abgebogen, um ihr den Weg abzuschneiden.
Durch dieses Manöver konnte er sich mit der Fahrerseite neben sie schieben und erhielt dadurch eine ungehinderte Schusslinie. Er hatte die Schrotflinte des Ranchers. Und von einem alten Jäger hatte sie einmal gehört, dass das Beste an einer großkalibrigen Schrotflinte die Fehlerstreuung war.
Entschlossen schlug sie dem Pferd die Hacken in die Seiten und trieb es mit den Zügeln an. Laut schreiend jagte sie direkt auf den Zaun zu.
34
Im bernsteinfarbenen Licht von Jos Küche gab Tang auf ih rem Telefon Nummern ein. »Verbinden Sie mich bitte mit dem Sheriff’s Office in Tuolumne County.«
Tina schlich auf und ab wie eine eingesperrte Katze. Da Evan die junge Frau nicht beruhigen konnte, lief sie neben ihr hin und her.
Tang spähte zum Fenster hinaus, während sie wartete. »Hier spricht Lieutenant Amy Tang vom San Francisco Police Department. Ich möchte mit dem wachhabenden Beamten sprechen.«
Kurz darauf fügte sie hinzu: »Sergeant, ich habe hier einen möglichen Vermisstenfall, den Sie überprüfen müssen.«
Schnell und knapp legte sie die Grundzüge dar. Evan konnte die Fragen des Sergeants in Tuolumne County kaum hören. Doch nach Tangs Gesichtsausdruck zu urteilen, stellte er die richtigen.
»Dr. Beckett ermittelt in einem Mordfall. Seit ihrer Fußwanderung zu der verlassenen Mine wurde sie nicht mehr gesehen.« Sie gab Jos letzte bekannte Koordinaten durch. »Danke. Ich bin unter dieser Nummer erreichbar.«
Sie beendete das Gespräch. »Er hat die Sache aufgenommen.«
Endlich unterbrach Tina ihr rastloses Marschieren. »Was macht er jetzt?«
»Er schickt einen Deputy zu der Stelle, wo Jo wahrscheinlich geparkt hat.«
Tina warf den Kopf zurück. »Warum kann Jo nicht einfach eine ruhige Praxis haben wie jeder normale Seelenklempner? Warum muss sie ständig ihr Leben aufs Spiel setzen?«
»Wir tun alles, was wir können.«
Tina nickte und hielt die Luft an. Dann drückte sie die Hände auf die Augen. »Okay.«
Tang warf Evan einen Blick zu und winkte sie mit einem leisen Nicken ins Wohnzimmer. Die Polizistin bewegte sich mit sparsamer Geschmeidigkeit. Mit den spitzen Ellbogen und dem stachligen Haar erinnerte sie Evan an einen Tarnkappenjäger. Schnell, leise, ohne etwas preiszugeben.
Mit verschränkten Armen stellte sie sich ans Erkerfenster. »Jo zu finden hat natürlich Vorrang. Aber es ist nicht meine einzige Sorge.«
»Die Frage ist nicht nur, wo Jo ist, sondern auch wo Ruby Kyle Ratner ist«, vermutete Evan.
»Genau.« Tang starrte durchs Fenster. In dem schwachen Licht war ihr Spiegelbild ein dunkler, von hinten golden beleuchteter Schemen. »Wir müssen annehmen, dass er beim Tod von Phelps Wylie die Hand im Spiel hatte. Und zwar auf aktive Weise.«
»Du meinst, er hat ihn umgebracht.«
»Und es kann sein, dass auch weiterhin eine Bedrohung von ihm ausgeht.«
Evan musterte sie. »Du meinst, da läuft irgendein Spiel, und er ist ein wesentlicher Akteur.«
»Das befürchte ich.«
»Ich auch. Strafe. Das ist der Begriff, den der Entführer benutzt hat. Und es klang nicht wie ein spontaner Einfall.«
»Meinst du, Wylie wurde ermordet, weil er was mit Ratner am Laufen hatte?«, fragte Tang. »Privat oder geschäftlich?«
»Vielleicht. Oder womöglich weil Wylie was … Größeres am Laufen hatte.«
»Es gibt nämlich keine Aufzeichnungen darüber, dass Ratner ein Mandant von Wylie war.«
»Richtig«, bestätigte Evan. »Wylies Kanzlei betreut Groß firmen, Finanzunternehmen, Vermögensverwaltungen und betuchte Einzelpersonen. Das passt überhaupt nicht auf Ratner, außer die Cowyboyfiguren seiner Mutter sind rare Sammlerstücke.«
Tang sann kurz nach. »Wir müssen rausfinden, wo er steckt.« Sie sah Evan herausfordernd an.
»Ja, das hatte ich mir auch schon überlegt. Da wäre wohl noch mal ein Besuch in Ma Ratners Spelunke fällig?«
»Ein gemeinsamer
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