Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
bewegungslos im Rinnstein liegen blieb. Er war nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen, ehe er in einer schwarzen Rauchwolke verschwand, die aus dem brennenden Kangoo herausschoss.
Lazar Zhivko hatte mehr Glück gehabt. Die Explosion hatte ihn nach hinten gegen den Außenspiegel eines geparkten Volvo geschleudert. Der Spiegel war abgebrochen, und ein etwa sieben Zentimeter langes Bruchstück aus Stahl war in seinen Rücken eingedrungen und hatte seine linke Niere durchbohrt. Scherben der zerborstenen Windschutzscheibe des Kangoo steckten in Lazars Gesicht und Händen und hatten seine Kleidung zerfetzt. Die Flammen aus dem brennenden
Fahrzeug griffen rasch auf andere Autos in der Nähe über, und der Rauch wurde von einer plötzlichen Windböe herumgewirbelt.
Das Schaufenster des Geschäfts war eingedrückt worden, und die Alarmanlage heulte. Die beiden Polizisten hatten sich geduckt und die Arme über den Kopf gelegt, doch es war bereits zu spät. Rauchwolken zogen am Fenster vorbei und wurden durch die Spalten im Glas gedrückt. Trümmer prasselten auf die Kartons herab und überzogen den Fußboden mit einer Schmutzschicht.
»Mein Gott, was war das?«
Die Stimme aus dem Funkgerät rief bereits die Feuerwehr und den Notarzt. Die Mikrofone in dem Geschäft mussten den Lärm der Explosion und der berstenden Scheiben übertragen haben.
Selbst in dem Lagerraum war die Hitze der Flammen zu spüren. Die Explosion schien sich in Zeitlupe abgespielt zu haben und war auf einen grellen Lichtblitz gefolgt, der kräftig genug gewesen war, um die erschrockenen Gesichter der Opfer in die Netzhaut der Beobachter einzugravieren. Ihre Gesichter würden noch tagelang präsent sein – starrend, schockiert und entsetzt, mit geöffnetem Mund, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
»Sieht so aus, als hätte doch irgendjemand den Zhivkos einen Besuch abgestattet.«
23
F ry stand am Terminal Eins des Flughafens von Manchester vor einer W.H.Smith’s-Filiale und wartete darauf, dass die Passagiere von der Gepäckausgabe in die Ankunftshalle kamen. In der Spielhalle nebenan fuhren zwei Teenager ein Grand-Prix-Rennen an einem Spielautomaten, dessen blinkende Lichter Fry ablenkten. Sie hatte Angst, ihren Besucher zu übersehen. Andererseits wusste sie, dass er ganz bestimmt aus der Menge herausstechen würde.
Sie erinnerte sich an Coopers Bemerkungen, als sie das Büro verlassen hatte, um Sergeant Kotsev abzuholen.
»Und wie erkennst du ihn?«, hatte er gefragt. »Er kommt doch sicher nicht in Uniform.«
»Na ja, er ist einsachtundachtzig groß, hat schwarzes Haar, dunkelbraune Augen und einen ordentlich gestutzten Schnurrbart.«
»Woher weißt du das denn? Ist das mit den dunkelbraunen Augen einfach so im Gespräch gefallen?«
»Ja.«
In Wirklichkeit hatte er ihr jedoch eine E-Mail mit seiner Beschreibung geschickt. Fry hatte sie unmittelbar nach der telefonischen Benachrichtigung in ihrer Mailbox entdeckt. Sergeant Kotsev war zu diesem Zeitpunkt bereits in der Luft gewesen. Als er schließlich auftauchte, erkannte Fry ihn sofort. Er zog einen großen schwarzen Koffer mit vier Rollen hinter sich her, der ihm mühelos zu folgen schien wie ein animiertes Gepäckstück aus einer Terry-Pratchett-Geschichte.
Georgi Kotsev war zweifellos groß und dunkel. Er hatte einen guten Knochenbau und war leicht gebräunt, allerdings nicht zu stark. Hatte er vielleicht vor kurzem Urlaub in einem der Seebäder am Schwarzen Meer gemacht? Er trug eine schwarze, verhältnismäßig neue Lederjacke, bei der es sich jedoch vermutlich um eine billige Kopie eines Designer-Label-Modells handelte. Fry dachte, dass ihm ein Anzug sicher auch ziemlich gut stehen würde. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten, nach hinten gekämmt und ganz leicht gewellt.
Davon abgesehen, wirkte er ein wenig verärgert, als er die Rampe herunterkam. Doch sein Gesichtsausdruck wandelte sich schnell, als Fry sich vorstellte.
»Willkommen in England, Sergeant.«
Kotsev lächelte. » Blagodariya . Vielen Dank.«
»Wenn Sie mir bitte folgen würden, ich bin mit dem Auto hier.«
Sie hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen, doch Small Talk war noch nie ihre Stärke gewesen. Auf dem ganzen Weg von Edendale zum Flughafen hatte ihr die Aussicht darauf, mit einem wildfremden Menschen gestelzte Konversation betreiben zu müssen, Kopfzerbrechen bereitet. Doch als Fry mit ihrem Gast zum Kurzzeitparkhaus ging, stellte sie fest, dass sie sich umsonst Sorgen
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